Wohnen im Mehrgenerationenhaus
Abstellgleis ade heißt es bei Einzug in ein Mehrgenerationenhaus. Aber lässt sich auch echte Solidarität zwischen Jung und Alt entwickeln oder bleibt es bei einer Art Zweckgemeinschaft? Wie passen so unterschiedliche Werte und Lebensstile überhaupt zusammen?
Inhaltsverzeichnis
Familie Kühn – 14 Leute von 4 Monaten bis 96 Jahre – unter einem Dach
Gesundheitliche Probleme können Alltag und Mobilität beschwerlich werden lassen und zur Herausforderung werden. So kann das Gehen schwerer fallen oder die Sehkraft lässt nach. Allein dadurch droht schon zunehmende Isolation. Nicht so bei Uroma Irene. Schau dir das Beispiel der Großfamilie Kühn an [1]. Bei den Kühns leben 14 Leute zwischen 4 Monaten und 96 Jahren unter einem Dach.
Mehrgenerationenhäuser wie das der Familie Kühn, verhindern Isolation und das Gefühl, auf dem Abstellgleis angelangt zu sein. Sie sind Orte der Begegnung, direkt dort, wo man wohnt. Meist sind sie so aufgebaut, dass die Kernfamilie auf einer Etage oder in einem Bereich ihre separaten Räume bewohnt und nebenan, oben drüber oder unten drunter die ältere oder die heranwachsende Generation lebt. So gibt es gleichzeitig genügend Rückzugsmöglichkeiten.
Bestenfalls befinden sich sogar Gemeinschaftsräume zwischen den separaten Bereichen, sofern das Haus bewusst auf Gemeinschaft hin geplant und gebaut wurde. Oftmals muss aber einfach aus dem Bestehenden das beste herausgeholt werden. Vielleicht eine Wand hereingezogen oder niedergerissen oder ein separater Eingang angelegt.
Auch 2020 gab es einen Wettbewerb „Demografie-Gestalter“. Bewerber waren Mehrgenerationenhäuser aus den Kategorien: „Bildung, Beratung, Betreuung“, „Gesellschaftlicher Zusammenhalt“, „Partizipationsprozesse“ und „Integrationsarbeit“. Im Februar wurden die vier Sieger gekürt. In der Kategorie Gesellschaftlicher Zusammenhalt gewann etwa das Mehrgenerationenhaus Lychen mit seinem Filmprojekt „Jedermann Filmfestival – Bewegt in Lychen“. Darin nahmen Bewohner der Kleinstadt in Eigenregie einen bewegenden Moment ihres Lebens auf. Im Gratulationsschreiben heißt es: „Über die Geschichten kann man leicht in die Schuhe des Gegenübers treten, die oder den anderen besser verstehen und sich mit ihr oder ihm verbunden fühlen. Damit wird ein Grundstein für gesellschaftlichen Zusammenhalt gelegt.“
In der vertrauten Umgebung bleiben
Wer wie die Kühns als Großfamilie in einem Mehrgenerationenhaus wohnt, kann auch örtlich und familiär verwurzelt bleiben. Vielleicht hast du aber weder Kinder, noch sind deine Eltern am Leben. Du wünschst dir aber dennoch mit mehreren Generationen zusammenzuwohnen? Mehrgenerations-Wohnen geht auch als Lebensgemeinschaft, in der sich befreundete, bekannte oder ähnlich Interessierte zusammentun und als Gemeinschaft leben. Eine Hausstruktur mit separaten Appartements und Gemeinschaftsräumen ist auch hier am sinnvollsten.
Als Senior profitierst du in vielerlei Hinsicht:
- die Dinge, die irgendwann schwerfallen können von den Jüngeren übernommen werden
- im Gegenzug kannst du dich einbringen und auch mal aushelfen, etwa bei der Kinderbetreuung
- die Dinge, die leicht und erfreulich sind, findest du direkt um die Ecke in den gemeinschaftlich genutzten Bereichen, wie etwa dem Grillplatz, Spielplatz, Garten oder ein Café
- Einsamkeit war mal
- volles Leben um dich herum, statt Stillstand
Wertschätzung und Eingebundensein
Auch ältere Menschen habe Bedürfnisse nach Anerkennung, Zugehörigkeit und Sicherheit. Damit ist es nicht weit her für den, der allein lebt. Allein geschieht einfach viel weniger als im Kontakt mit anderen, wo Gefühle erlebt und ausgedrückt werden und du dich auch für den anderen als nützlich erweisen kannst. Wer wenig Kontakt und Austausch erlebt, lebt weniger und es besteht eine höhere Gefahr, an Altersdepressionen zu leiden.
Wer hingegen gebraucht wird, dem geht es gut. Etwa, wenn die erwachsene Tochter im Erdgeschoss keine Zeit zum Kochen hat, die Kleinen aber gut versorgt sein wollen. Da fühlt sich Oma oder Opa doch bestätigt, etwas geben zu können. Und Geben tut nun mal gut. Das weiß eigentlich jeder. Es fühlt sich gut an, wenn wir für andere Menschen etwas tun können und wichtig sind. Im Mehrgenerationenhaus ist das die schöne Seite des Alltags.
Wer sagt denn, dass es immer die eigenen Enkel sein müssen, für die du da bist. Vielleicht wohnen die am anderen Ende der Republik oder gar der Welt. Vielleicht hast du gar keine. Aber es gibt bestimmt immer das eine oder andere Kind, dass sich über etwas Zuwendung, gemeinsame Zeit und Wertschätzung durch Leih-Großeltern freuen würde.
Hilfe bekommen und anderen helfen
Generationen verbindende Projekte wie das Leben im Mehrgenerationenhaus oder ehrenamtliches Engagement stärken die Bildung von Generationen-Solidarität. Eine österreichische Eurostat-Umfrage aus 2012 [2].zeigte, dass die jüngere und ältere Generation trotz Solidarität keineswegs darin übereinstimmt, was das Beste für die Gesellschaft sei.
Leben Generationen zusammen, leben sie eben auch in einem Spannungsfeld zwischen Solidarität und Konflikt, so die Studie. Der gesellschaftliche Wertewandel oder etwa neue Lebensformen können durchaus zu Spannungen und Problemen führen. So empfinden beispielsweise insbesondere die 25 bis 54-Jährigen die Kosten der Alterssicherung als Last und wünschen sich eine finanzielle Entlastung der Erwerbstätigen. Gezeigt hat sich aber andererseits auch, dass 80 Prozent der jungen Erwachsenen, die eine Familie gründen, die materielle und emotionale Hilfe ihrer Eltern und Großeltern gut gebrauchen können und sie durchaus wertschätzen.
Hast du dich auch schon öfter darüber geärgert, dass die eigentlich natürlichste Sache der Welt, Hilfe bekommen und helfen, eher selten ist? Genau dieser Sachverhalt wurde in Corona-Zeiten plötzlich sehr deutlich. Deutlich wurde auch, dass diese Gesellschaft nach anderen Prinzipien organisiert ist. Kommerzielle Beweggründe durchdringen so gut wie jeden Bereich des Lebens. Umso wichtiger wird es, dass wir uns wieder den kommerzfreien „Oasen“ widmen, wie zum Beispiel dem Leben in Mehrgenerationenhäusern. Hier gilt noch die Maxime „helfen und Hilfe bekommen“. So wie es sein sollte und hoffentlich in Nach-Corona-Zeiten auch wieder üblicher werden wird.
Wie finde ich eine Gemeinschaft zum Mehrgenerationen-Wohnen?
Eine Möglichkeit sind soziale Plattformen, die die Bildung von gemeinschaftlichem Wohnen unterstützt und auf den Weg bringen. Hier findest du Gleichgesinnte, Menschen mit ähnlichen Vorstellungen, Wünschen und Bedürfnissen. [3]
Quellen
[1] https://www.youtube.com/watch?v=TrC1UslcWvE
[2] https://ec.europa.eu/eurostat/documents/3217494/5740649/KS-EP-11-001-EN.PDF/1f0b25f8-3c86-4f40-9376-c737b54c5fcf
[3] www.bring-together.de
https://landesfrauenrat-hamburg.de/download/dokumentationen/Broschre-Generationensolidaritt-final-komplett.pdf
https://www.mehrgenerationenhaeuser.de/demografiegestalter-2020/die-gewinner/
www.bring-together.de
Humanity Rising Video Series - Global Solutions Summit: Transforming the Pandemic Crisis into an Opportunity
https://www.familienleben.ch/leben/dritte-generation/mehrgenerationenhaus-jung-und-alt-unter-einem-dach-4568
Kommentar von Susanne M. |
Wenn mehrere Generationen unter einem Dach leben, ist das für alle eine Bereicherung. Während die Älteren sich weniger einsam und nutzlos fühlen, wissen die Jüngeren deren Unterstützung beispielsweise bei der Kinderbetreuung zu schätzen. Gemeinsame Mahlzeiten, Spieleabende und Unternehmungen stärken das Gemeinschaftsgefühl.
Damit das Leben im Mehrgenerationenhaus auf Dauer funktioniert, müssen jedoch bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein:
• Offenheit und gegenseitiger Respekt
• ein Rückzugsort für jeden, falls man doch mal ungestört sein möchte
• klare Grundregeln, die von allen eingehalten werden, z. B. wer welche Aufgaben übernimmt
Quelle:
https://www.grosseltern.de/mehrgenerationenhaus/