Geistiger Verfall? Was im Alter normal ist und was nicht...

Wenn das Denken und die Erinnerung unklarer werden, tauchen in der Regel auch Ängste auf. In diesem Abschnitt nimmt Alterix unter die Lupe, wieviel geistiger Abbau normal ist und was die Medizin darüber überhaupt weiß.

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Unsere Haut können wir vielleicht glätten oder aufpolstern, aber leider können wir unser Gehirn nicht so einfach verjüngen. Mal abgesehen von den Super-Agern, deren Gehirn nicht an Volumen verliert, sinkt das Gehirnvolumen bei den meisten Menschen spätestens ab dem 70 Lebensjahr. Bestimmte Gehirnzellen bilden sich nicht mehr so nach wie früher. Entscheidender für diesen Abbau könnte aber sein, dass die Verbindungen zwischen den Nervenzellen dünner und weniger werden, was viel mehr damit zu tun hat, dass da nicht mehr genug Aktivität stattfindet; sozusagen im wahrsten Sinne des Wortes auch im Oberstübchen „Ruhestand“ eingekehrt ist.

Vielleicht ist dieses Wort „Ruhestand“ keine gute Wortschöpfung und suggeriert unserem Unbewussten etwas, was wir nicht wirklich wollen; auch wenn es zunächst meint, nicht mehr arbeiten zu müssen, also Ruhe vorm Gelderwerb und anstrengender Pflichten zu haben. Aber unser Unterbewusstsein ist sehr groß und registriert alles. Nach dem Eisberg-Modell laufen etwa 80 bis 90 Prozent unserer Gedanken und Gefühle im Unterbewusstsein ab. Und da dieses Unterbewusstsein anteilsmäßig so groß ist, wird schnell klar, dass es eine enorme Macht über uns hat. Dort sitzen all unsere Überzeugungen über uns und die Welt und allem voran alles, was wir als Kinder gelernt haben.

Könnte also unser unbewusster Geist von dem Wort Ruhestand so beeinflusst sein, dass er meint, er könne im Alter zurückschalten und sich zur Ruhe setzen?

Gedanken, Meinungen & Hochrechnungen über geistigen Verfall sowie Demenz

Ein Gehirn, in dem es sehr ruhig zugeht, also nur wenige Neuronen feuern, baut zunehmend ab. Das Netzwerk der Verbindungen wird dünner. Dr. Horst Bickel, Psychologe der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie an der TU München, hat diesen Vorgang hochgerechnet. Seiner Meinung nach nimmt das Risiko, an Demenz zu erkranken, mit steigendem Alter stetig zu. „Wenn wir nicht an anderen Krankheiten vorzeitig versterben würden, wie hoch wäre dann das kumulierte Risiko, an Demenz zu erkranken?“, fragt er. „Nach den uns vorliegenden Daten sind ungefähr bis zum Alter von 88 bis 89 Jahren etwa 50 Prozent der Bevölkerung an Demenz erkrankt“, meint er und rechnet dann hoch: „Wenn wir alle 100 Jahre alt würden, dann wären es wohl 90 Prozent.“

Seine Schlussfolgerung daraus lautet, dass wir, wenn wir nur alt genug werden würden, auch fast alle dement wären. Wäre das nicht traurig? Es sollte uns alarmieren! Wenn man davon ausgeht, dass es normal ist, im Alter „geistig zur Ruhe zu kommen“ - also in einen geistigen Ruhestand herunterzufahren - dann könnte dieses Horrorszenario tatsächlich eintreten.

Wir wagen uns aber, diese Hochrechnung für einen negativen gesellschaftlich gängigen Glaubenssatz zu halten und im Folgenden einen neuen aufzustellen. Auch Dr. Bickel räumt ein, es gebe zumindest Faktoren, die das Risiko eines geistigen Abbaus im Alter verstärken würden:

  • Bluthochdruck
  • Diabetes
  • Hohe Cholesterinwerte
  • Übergewicht
  • Rauchen
  • Starker Alkoholkonsum

Maßvollen Alkoholgenuss sieht er hingegen sogar als risikosenkend an und ebenso die „Bildung“; also geistig aktiv sein. Womit er doch andeutet, dass der individuelle Lebensstil und die Lebenshaltung ausschlaggebend sind und dieser „normale geistige Abbau“ gar nicht unbedingt sein muss, also auch gar nicht so normal ist.

Wandlungsprozesse im Alter & deren Ursachen

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„Unser Hirn weiß mehr, als wir wissen“, ist Joachim Markowitschs Meinung zum Thema auf YouTube. Er spricht dort über die normalen Alterungsprozesse und betont, dass unser Gehirn eben nicht einfach alles vergisst. Vielmehr ist eigentlich alles noch vorhanden, aber wir können darauf nicht zugreifen. Es ist der Zugang zur Erinnerung, der zwischenzeitlich erschwert sein kann, was nicht mit dem Schrumpfen der Gehirnmasse zu tun hat, sondern mit Hemmungen. Diese Hemmungen oder Blockaden lockern sich im hohen Alter wieder, wenn man eigentlich nichts mehr zu verlieren hat. Darum erinnern sich sehr alte Menschen plötzlich an lang zurückliegende Ereignisse, an die sie Jahrzehnte nicht gedacht hatten- sowohl persönliche als auch kollektiv-gesellschaftliche Ereignisse.

Wie oben besprochen, wird es generell als normal angesehen, dass die Zahl der Nervenzellen und die Gehirnmasse selbst sich ein Stück weit abbauen. Dadurch sind Einbußen im Gedächtnis, Arbeitsgedächtnis, in der Geschwindigkeit der Informationsverarbeitung sowie der Aufmerksamkeit und Konzentrationsfähigkeit zu verzeichnen. Dieser Abbau führt nicht unbedingt zu einer Demenz. Viel häufiger wird bei alten Menschen eine leichte kognitive Störung diagnostiziert, die irgendwo zwischen normal und krankhaft anzusiedeln ist. Es wird also für die meisten Alten schwieriger, neue Informationen zu behalten. Wie an anderer Stelle schon erwähnt, können diese Defizite aber ganz gut kompensiert werden. Denn Erfahrung fällt auch ins Gewicht und durch diese ist es bis ins hohe Alter möglich, sich neue Strategien für ein Gedächtnistraining und zum Aufbau neuer kognitiver Kapazitäten zu erschließen.

Glaubenssätze abbauen bedeutet, geistigen Verfall zu stoppen

Du willst nicht erst warten, bis dir mit 100 Jahren wieder alles einfällt, sondern jetzt schon für guten Flow im Hirn sorgen und zum Super-Ager avancieren? Wenn es also die Hemmungen und Blockaden sind, die Erinnerungen bzw. den Zugriff auf abgespeichertes erschweren, lohnt es sich doch, möglichst früh mit deren Abbau anzufangen. Eigentlich sollten wir das in der Schule lernen.

Zuerst musst du dir darüber bewusstwerden, was dich blockiert!

Ein Ansatz wäre, immer dann kurz innezuhalten, wenn dich eine unangenehme Gefühlslage überrollt und du in einem bestimmten Muster reagierst; etwa mit einem Wutausbruch oder Rückzug, je nach Typ. Es kann auch Gereiztheit, Nervosität, Unruhe, Suchtverhalten, Dauerquatschen oder sonst etwas sein. Frage dich dann: Was müsste ich jetzt fühlen, wenn ich nicht so agieren würde? Und dann fühle es. So kann sich etwas Altes auflösen.

Eine andere Möglichkeit wäre, auf die Situationen und Lebensbereiche zu gucken, wo es immer irgendwie nicht so gut läuft. Was hast du darüber inzwischen für heimliche Gedanken entwickelt? Was dir einfällt, könnten deine alten Glaubenssätze sein, die sich mit jeder ähnlichen Erfahrung festigen. Diese Glaubensmuster halten dich jetzt davon ab, dein Potenzial zu entfalten und haben es so an sich, deinen Fokus sehr eng halten. Richtet sich ein enger Fokus auf Unangenehmes, wird Stress im Körper-Geist-System reaktiviert. Da sind sie dann wieder, die Denk- und Erinnerungsblockaden: Unser Körper, der sehr stark mit dem Untebewusstsein verbunden ist, ist es gewohnt, sich primär auf Angst und Negatives zu fokussieren, seit Jahrmillionen schon, um im Notfall zu fliehen oder zu kämpfen. Eine Frage des Überlebens... Unsere Körper verlangen nach Angst und Stress, weil sie es so gewohnt sind. Es tut ihnen aber nicht gut. Heute haben wir kaum noch Feinde, außer uns selbst, und können länger und glücklicher leben, wenn wir uns denn dafür entscheiden.

Kommentar von Susanne M. |

Ich finde es erschreckend, dass die Hälfte der Ende-80-Jährigen an Demenz erkrankt ist. So groß habe ich mir diese Zahl nicht vorgestellt. Und ich hoffe sehr, dass es – sollte ich überhaupt so alt werden – noch genügend Dinge gibt, die mein Gehirn im Alter lernen und mit denen es sich beschäftigen kann.
Immer dann kurz innezuhalten, wenn mich eine unangenehme Gefühlslage überrollt, stelle ich mir schwierig vor, weil Gefühle wie Wut, Gereiztheit oder Unruhe in bestimmten Situationen ganz spontan auftreten. Alte Glaubenssätze zu hinterfragen und ihnen gegenzusteuern, wenn sie einen zu lähmen drohen, halte ich hingegen für einen guten Ansatz.

Bitte rechnen Sie 4 plus 6.
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