Alzheimer: Zurück in die Kindheit?

Alzheimer gilt bisher als Tod auf Raten und versetzt uns in Angst und Schrecken. Die Krankheit ist facettenreich und nicht immer klar abgrenzbar, jedoch beschäftigen wir uns meist viel zu spät mit ihr. Ließe sich Alzheimer vorbeugen oder heilen, wenn wir uns freiwillig den Lebensthemen widmeten, in die uns die Krankheit unfreiwillig hineinkatapultiert? Was jeder über Alzheimer wissen sollte:

Inhaltsverzeichnis

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Janina und ihre Mutter

Maria K. ist dement in Phase 2. Sie wohnt mit der Tochter Janina und ihrem Mann Günter zusammen im eigenen Elternhaus, in dem sie bereits aufgewachsen war. Manchmal schreit die 78-Jährige laut vor sich hin, manchmal ruft Maria K. jammernd nach ihrer längst verstorbenen Mutter. Tochter Janina ist eigentlich eine geduldige und verständige Frau. Das gelegentliche Weglaufen ihrer Mutter nimmt sie als die Suche nach einem Gefühl von „ankommen wollen“ oder Geborgenheit.

Janina weiß, dass ihre Mutter in ihrer Kindheit wenig davon gespürt hat. Sie war mitten im Krieg aufgewachsen. Die Schreie ihrer Mutter sind für Janina die größte Belastung. Vielleicht kann sie damit besser zurechtkommen, wenn sie versucht die Welt ihrer dementen Mutter noch besser zu verstehen?

Bei Maria K. wurde die Diagnose schon vor Jahren gestellt. Es liegt jedoch nicht jeder Verwirrtheit älterer Menschen eine Demenz zugrunde. Und es steht auch nicht hinter jeder Demenz eine mangelnde Zuwendung im Kindesalter. Grundsätzlich können viele Ursachen infrage kommen, etwa eine psychische Störung oder beispielsweise ein akuter Verwirrungszustand, ein Delir.

Wie kann ich als Außenstehender oder Betreuer eine Demenz von einem Delir unterscheiden?

Merkmale Demenz Delir
Körperliche Einschränkungen kaum stark
Bewusstseinseinschränkung nein vorhanden
Orientierung erst im späteren Verlauf eingeschränkt zu Beginn eingeschränkt
Psychomotorik/Aktivität Veränderungen erst spät im Verlauf, sofern keine zusätzliche Depression vorliegt stets eine Unter- oder Überaktivität erkennbar
Schwankungen der Symptome wenige sehr ausgeprägt
Beginn schleichend, Zeitpunkt nicht erkennbar plötzlich
Verlauf bisher überwiegen chronisch, fortschreitend akut, Tage bis Wochen

Gibt es eine seelisch-geistige Lernaufgabe bei Demenz? Verbirgt sich ein Sinn hinter den Symptomen? Schauen wir uns an, was bei Demenzerkrankten geschieht. Das Gehirn „stirbt langsam ab“. Symbolisch betrachtet drängt sich „Erstarren“ auf, die Weigerung des Gehirns das zu tun, was es die ganze Zeit tat oder tun musste: verstandesmäßig arbeiten und funktionieren.

Es tauchen wirre Gedanken, Wahn oder Halluzinationen auf. Damit ist die Aufmerksamkeit auf die Innenwelt und das Erleben gerichtet. Der Demenzerkrankte muss erfahren, dass es jenseits des verstandesmäßigen Denkens noch eine geistige Welt gibt. Durch diese drängt dem Erkrankten alles entgegen, was er vorher nicht sehen wollte. Verdrängte Erlebnisse und Situationen tauchen als graue oder schwarze Schatten auf. Psychologisch spricht man von „eigenen Schattenanteilen“. Sie wollen wieder bewusst und anerkannt werden.

Orientierungslos in der äußeren Welt umherwandern.

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©Bild von Swallybird/hutterstock_124904258 auf Alterix

Diese Orientierungslosigkeit könnte auf das seelische Gebiet übertragen für eine fehlende Lebensaufgabe stehen. Es ist auch nachvollziehbar, dass der Lebenssinn kaum allein mit dem rationalen Verstand zu entdecken ist, sondern auch viel mit dem Wahrnehmen und Fühlen des Seins an sich zu tun hat. In der Vergangenheit war die Kirche für den Sinn zuständig, heute musst du dir diese Bewusstseinsdimension möglicherweise selbst erschließen. Bezeichnenderweise wird der Demente durch die Krankheit regelrecht in eine rational nicht zu verstehende Welt hineinkatapultiert, ohne die Fähigkeit zu besitzen, diese zu interpretieren und zu ordnen.

Wenn der Demenzkranke wieder zum Kind wird, ist er auch wieder offen für seine Innenwelt, die ihm bis dahin vielleicht nicht zugänglich war. Dies träfe zumindest für jene zu, die nur durch den rationalen Verstand lebten, sich vielleicht durchkämpfen mussten und keinen wirklichen Sinn in ihrem Leben erkannten. Aus dieser psychosomatischen Ableitung heraus, kann man die große Lernaufgabe bei beginnender Demenz, der leichten kognitiven Störung, dann so formulieren:

Wieder offen werden für Neues und besonders für die eigene Innenwelt, die sich ständig verändert. Dabei geht es auch darum, aus erstarrten Denkmustern auszubrechen; neugierig wie ein Kind auf die Welt schauen und ihr Bedeutung beziehungsweise einen Sinn abzugewinnen.

Wer Demenz vorbeugen will, mag am besten sein Leben nach dieser Devise gestalten.

Sich als Angehöriger oder Betreuer in die Welt eines Dementen herein versetzen

Wenn alles bis dahin Gekannte für den Dementen wegbricht - in diesem Fall das rationale Verständnis der Welt - und stattdessen viele unbekannte Wahrnehmungen auftauchen, kann man aus diesem Geschehen schlussfolgern, das demente Menschen in sehr vielem, was sie tun und sagen, eigentlich nach Halt suchen. Das Bedürfnis nach Sicherheit und Geborgenheit ist groß in einer unverständlichen Welt.

Demente leugnen mitunter Tatsachen wie, dass ein Verstorbener verstorben ist und tun so als käme er gleich vorbei. So etwas ist am ehesten als Versuch zu werten, Verlust und Schmerz abzuwehren und so in der unerklärlichen Welt emotional noch halbwegs im Gleichgewicht zu bleiben.

Wenn Betroffene viel schreien, wie es bei Janinas Mutter der Fall ist, versuchen sie sich mitzuteilen, irgendwie Kontakt herzustellen und aus ihrer Isolierung herauszukommen. Diese Rufe beantwortet man am besten wie bei einem Kleinkind. Und in der Tat stehen Demente entwicklungspsychologisch betrachtet auf derselben kognitiven Entwicklungsstufe. Berührungen, sanftes Streicheln und liebevoller Zuspruch helfen. Finde als Angehöriger oder Pfleger heraus, worauf die demente Person am besten anspricht.

Gesundes aufgreifen und aktivieren

Für Pfleger ist die sogenannte Biografiearbeit ein entscheidender Punkt. Denn nach dem bisher gängigen Konzept können Demenzkranke keine neuen Dinge aufnehmen. Daher wird versucht, ihr Gehirn durch Erinnerungen wach zu halten. So wird in guten Pflegewohnheimen schon bei der Aufnahme neuer BewohnerInnen den Angehörigen das Ausfüllen eines mehrseitigen Biografiebogens abverlangt. Darin stehen die Namen und Spitznamen von Angehörigen, Lehrern, Freunden, deren Bekanntsein miteinander, Erlebnisse aus Schule und Jugend, Lieblingsmusik, frühere Interessen, ehemalige Träume und vieles mehr.

Durch die Biografiearbeit kann das Fortschreiten der Krankheit verzögert werden. Sie sollte in jeder Pflegeeinrichtung oder Wohngruppe Standard sein und täglich zur Aktivierung der Erinnerung stattfinden.

Weitere Tipps zum Vorbeugen von Alzheimer, Vergesslichkeit und Verwirrung

Du kannst einiges tun, um das Risiko von sogenannten sekundären Demenzen, die auf einer anderen Erkrankung beruhen, zu verringern. Und selbst das Alzheimer-Risiko lässt sich senken. Schauen wir uns zum besseren Verständnis auch die möglichen Ursachen einer Demenz an:

Die Tabelle erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
mögliche Ursache Beispiele für zugrundeliegende Erkrankungen Wie vorbeugen?
Infektionen z. B. Enzephalitis, progressive Paralyse Bei Reisen in Erregergebiete an Impfungen denken, Immunsystem stärken, alternative Medizin zur Bekämpfung von Viren im Körper z. B. Schwarzkümmelöl und Entgiftung durch Fasten, Kurkuma etc.
Vitaminmangelzustände Von Vitamin B1- und B12 und Folsäure ausreichend zuführen
Systematrophien/neuro-degenerative Erkrankungen z. B. Morbus Parkinson, Chorea Huntington Gesunder Lebensstil ist angeraten und psychosomatische Selbstreflexion
Mangelnde Hirndurchblutung Vaskuläre Demenz Ggf. Zuckerkrankheit richtig einstellen. Mit Sport und vertieftem Atmen für gute Durchblutung sorgen.
Unklare degenerative Symptome Alzheimer Demenz Lebenslang lernen, Berufung suchen und leben, sein Leben und seine Arbeit mit Sinn erfüllen.
Tumore z. B. Hirntumore, karzinomatöse Meningitis Risikosenkung erscheint über gesunden Lebensstil wahrscheinlich.
endokrinologische und metabolische Enzephalopathien z. B. Unter- und Überfunktion der Schilddrüse, Eiweißmangel, Leber- und Niereninsuffizienz Risikosenkung erscheint über gesunden Lebensstil wahrscheinlich.

Fazit

Sich mit den Symptomen, möglichen Ursachen und seelischen Hintergründen von Alzheimer und überhaupt von Demenzen auszukennen, bringt einige Vorteile. So kannst du dein Leben bewusster gestalten und auf ein langes, fittes Leben abzielen. Lassen wir uns nicht einreden, dass Heilung und gesund alt werden unmöglich sei. Und für betroffene Menschen kannst du ein wahrer Segen sein, wenn du weißt, was sie hinter ihrer Verschrobenheit eigentlich fühlen und sich wünschen.

Quellen

Buch der Dualen Reihe „Psychiatrie und Psychotherapie“
http://www.krankheit-heilung-verstehen.de/krankheit-und-heilung/demenz-alzheimer/

Kommentar von Susanne M. |

Konfrontiert mit der Krankheit meines Vaters und der anderen Bewohner der Station, auf der er das letzte Dreivierteljahr seines Lebens lebte, verstand auch ich die Demenz als Rückkehr in die Kindheit. So schwierig es auch war, ihn in diesem Zustand zu erleben, stand doch eins für mich fest: wenn ich ihn besuchte, hatte ich stets den Eindruck, dass er mich wiedererkannte und sich freute, mich zu sehen. In dieser Zeit fühlte ich mich ihm näher als all die Jahre zuvor; denn bevor er dement wurde, war er ein recht distanzierter Mensch gewesen.

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