Aus Spaß an der Arbeit: Viele Rentner arbeiten weiter

Stillsitzen ist nicht. Wer noch kann und will, der arbeitet noch. Auch wenn der Ruhestand verdient ist und endlich Zeit für Familie und Reisen zur Verfügung steht. Eine Statistik der Arbeitsagentur zeigt, dass rund ein Viertel der Rentner in den ersten Jahren des Ruhestands noch berufstätig ist oder einer Nebenbeschäftigung nachgeht. Viele wollen das Arbeitsleben partout nicht hinter sich lassen. Sie haben keine Lust, Golf zu spielen oder auf die Enkel aufzupassen. Nein, sie ziehen es vor, ihre beruflichen Pläne anzugehen.

Psychologen erklären sich das folgendermaßen: Wer heute ins Rentenalter kommt, ist fitter und gesünder als früher. Viele Ruheständler stehen mit Mitte-Ende 60 noch voll im Leben, sind sportlich aktiv und haben zum Teil noch Kinder, die zu Hause wohnen. Ist es also die Familie, weshalb einige Rentner weiterarbeiten? Wer sich unter den arbeitenden Ruheständlern umhört, erhält eine überraschende Antwort. Der Kontakt zu anderen Menschen sowie Freude und Spaß im Beruf sind die Hauptgründe, weshalb an der Arbeit festgehalten wird. Aber auch der Wunsch, weiterhin eine sinnvolle Aufgabe zu haben, spielt eine Rolle. Ein Leben im Ruhestand können sich viele deshalb nicht vorstellen. „Wenn ich arbeite, bleibe ich fit und habe das Gefühl, gebraucht zu werden und dazuzugehören. Die Arbeit ist eine enorme Energiequelle für mich“, erzählt eine 68-jährige Ingenieurin.

Finanzielle Nöte sind nicht der Grund für den Un-Ruhestand

“Malochen bis zum Tode” raunt es aus der Politik. Ältere Menschen würden zur Arbeit gezwungen sein, weil eine große Altersarmut-Welle auf uns zurollt. Auch wenn die Sorge um die Rentenbezüge berechtigt ist, das Haushaltsnettoeinkommen der Älteren ist in den letzten Jahren gestiegen. Finanzielle Nöte spielen bei der Entscheidung weiterzuarbeiten also kaum eine Rolle. Fast alle Menschen im Rentenalter wollen einfach noch nicht zum "alten Eisen" gehören sondern lieber als Teil einer Gemeinschaft gebraucht werden.

Wer dagegen Abschied vom Arbeitsleben nimmt, sobald er ein bestimmtes Alter erreicht hat, ist oft mit plötzlicher Leere konfrontiert. Psychologen, die ältere Patienten haben, erklären, dass viele Ruheständler unter Depressionen leiden. Sie haben damit zu kämpfen, dass gewohnte Strukturen im Arbeitsleben sowie der Kontakt zu Kollegen weggebrochen sind. Wer dagegen berufstätig bleibt, erhält Sinn und Bestätigung und gewinnt sogar dazu. Der Austausch mit jüngeren Kollegen sorgt dafür, dass ständig dazugelernt wird. Zudem geben ältere Menschen ihr langjähriges Wissen weiter und bringen ihre menschlichen Kompetenzen ein. Das stärkt den Kontakt zwischen den Generationen.

Rat für Vorruheständler: Job-Forming

Die Altersgrenze für die Rente sollte nicht automatisch als Weg in den Zwangsruhestand angesehen werden. Wer weiter arbeiten will, sollte sich nicht einfach dem Schicksal ergeben. Das ist der falsche Weg. Psychologen raten älteren, erfolgreichen und berufstätigen Klienten, sich mit einer Frage zu beschäftigen: Wie könnte das weitere Berufsleben aussehen? Anhand dieser Frage lässt sich der aktuelle Job formen und gezielter an die Neigungen und Vorlieben anpassen. Denn oft passt das, was man macht, schon recht gut.

Das Job-Sculpting dient zudem dazu herausfinden, welche Tätigkeiten aufgegeben werden können, die nicht dringend erledigt werden müssen. Schon kleine Veränderungen im Arbeitsalltag verhelfen zu frischem Elan, besserer Zeiteinteilung und vor allem Komprimierung. Wer angestellt ist, sollte in der eigenen Firma nachfragen, was diese von flexiblen Arbeitsmodellen hält. Viele Unternehmen sind längst offener und aufnahmefähiger geworden und haben ein Interesse daran, ältere Mitarbeiter zu halten. Sie entwickeln neue Arbeitsmodelle für Vorruheständler, stellen Senior Experten für bestimmte Projekte an oder reaktivieren Mitarbeiter aus dem Ruhestand.

Dieses Konzept wird als “Living Library“ (lebende Bibliotheken) bezeichnet. Bestes Beispiel dafür ist die Firma Daimler. Sie kreierte im Jahr 2013 das Projekt “Space Cowboys - Senior Experts”. Ehemalige Mitarbeiter von Daimler erhalten dadurch die Möglichkeit, zeitbefristet verschiedene Projekte zu unterstützen. Ihr jahrelang aufgebautes Netzwerk und ihr Erfahrungsschatz gehen so nicht verloren, sondern können zur Lösung konkreter Aufgaben und Probleme verwendet werden. Die jungen Mitarbeiter profitieren von dem Wissenstransfer.

Schaffenskraft im Rentenalter - warum nicht

Der Wunsch einer Aufgabe nachzugehen und Spaß an der Arbeit, das ist kein Vorrecht der jungen Generation. Wer im Rentenalter weiterhin aktiv einer Tätigkeit nachgehen will, sollte sich nicht davor scheuen, das auch zu tun. Denn Arbeit ist Ausdruck der Schaffenskraft. Und die Unternehmenswelt kann von der hohen Motivation der alten Generation profitieren. Wissen, Weisheit und “Alt sein” tritt eine Renaissance an. Im Zeitalter der fast unbegrenzten Möglichkeiten ist diese Dynamik der Rentner auf jeden Fall positiv anzusehen.

Quellen:

https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2020-10/arbeiten-ruhestand-erwerbstaetigkeit-rentner-frauen-altersarmut
https://www.zeit.de/wirtschaft/2020-11/rente-rentenniveau-bundeskabinett-rentenversicherungsbericht
https://www.iab.de/de/publikationen/kurzbericht.aspx
https://statistik.arbeitsagentur.de/DE/Statischer-Content/Statistiken/Themen-im-Fokus/Demografie/Generische-Publikationen/Aeltere-amArbeitsmarkt.pdf?__blob=publicationFile
https://media.daimler.com/marsMediaSite/de/instance/ko/Space-Cowboys-Initiative-voller-Erfolg-Positives-Feedback-der-Daimler-Senior-Experts.xhtml?oid=9919093

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