Digitaler Engel: Älteren Menschen die Digitalisierung näherbringen
Elisabeth ist 90 Jahre alt. Sie wohnt alleine in ihrem Haus mit großem Garten. Der Ehemann ist vor vielen Jahren gestorben. Bisher war sie fit, doch in letzter Zeit schwinden die Kräfte. Schon mehrmals ist sie im Garten schwer gestürzt. Ihre Tochter wohnt zwei Stunden entfernt, arbeitet als Lehrerin in einer Schule. Eine direkte Kommunikation ist nur per Handy am besten über Whatsapp möglich. Doch Elisabeth hatte bisher kein Internet und auch kein Smartphone. Noch wusste sie es zu bedienen. Damit ist sie nicht alleine. Viele Menschen in der dritten Lebensphase sind offline. Das bestätigt der achte Altersbericht zum Thema „ältere Menschen und Digitalisierung“ des BMFSFJ. Eine 2017 veröffentlichte Studie der Stiftung Digitale Chancen zeigt, dass neben Elisabeth rund 10 Millionen Menschen über 70 Jahren das Internet bisher nicht genutzt haben. Bildung zum Thema Digitalisierung für Senioren gibt es wenig.
Deshalb wurde das mobile Projekt "Digitaler Engel" von "Deutschland sicher im Netz e.V." ins Leben gerufen. Die Idee dahinter: Ein Ratgeberteam fährt mit einem Infomobil durch das Land, um ältere Menschen persönlich über die Digitalisierung aufzuklären und zu beraten. In einer Art Coaching lernen die Senioren Internet, Apps, soziale Medien & Co zu verstehen. Elisabeth war eine der Teilnehmerinnen. Der ausschlaggebende Grund für ihre Teilnahme war ein weiterer schwerer Sturz im Garten. Zwei Stunden rief sie um Hilfe, bis jemand kam. Das will sie nicht mehr erleben.
Bedürfnisorientierte Beratung und gezieltes Training
Elisabeth ist mit ihren 90 Jahren Teil einer Generation, die digital abgehängt – bzw. bisher nicht mitgenommen – wurde. Während ihre Kinder und Enkel wie selbstverständlich mit Smartphone & Tablet umgehen, war Elisabeth ratlos, wenn sie ein solches Gerät in der Hand hielt.
Nun ist Digitalisierung für sie kein Fremdwort mehr. Im Training mit Digitaler Engel erhielt sie Antworten auf ihre Fragen und lernte gezielt, wie sich digitale Geräte richtig bedienen lassen. Darüber hinaus kann sie jetzt chatten, im Internet surfen, Passwörter erstellen und online shoppen. Elisabeth erhielt außerdem eine gezielte Einführung in digitale Anwendungen, die ihr trotz körperlicher Beschwerden ein selbstbestimmtes Leben ermöglichen.
Abbau von Zweifeln & Berührungsängsten
Doch zuerst musste Elisabeth Berührungsängste und Zweifel im Umgang mit den digitalen Applikationen ablegen. Wie sie haben viele Senioren Angst vor digitalen Techniken und deren Bedienung. Sie verzichten deshalb auf die Nutzung. Durch das Bildungsangebot und Training von Digitaler Engel baute Elisabeth ihre Vorbehalte ab. Jetzt ist sie dankbar, dass sich ihr Alltag durch die Digitalisierung bereichert und vereinfacht hat. Alles, was sie dafür brauchte, war Anwenderwissen und ratgebende Hilfestellung.
Digitale Kompetenz bei älteren Menschen wird unterschätzt
Warum sind immer noch so viele Menschen der dritten Lebensphase von der Teilhabe an der Digitalisierung ausgeschlossen? Liegt es daran, dass sie negativ und ablehnend über die Technologie denken? Oder wollen und können sie mit digitalen Technologien und Entwicklungen nicht mithalten? Elisabeth weiß, dass viele ihrer Freunde und Nachbarn der Digitalisierung offen und neugierig gegenüberstehen. Dass dennoch viele Senioren den analogen Austausch bevorzugen, obwohl sie aktiv werden wollen, hat für sie andere Gründe: das fehlende Bildungsangebot in diesem Bereich. Hinzukommt das Problem, dass viele jüngere Menschen die Kompetenz der Generation 50+ unterschätzen. Dadurch entsteht bei Senioren das Gefühl, den digitalen Technologien und Entwicklungen nicht gewachsen zu sein. Doch Elisabeth und andere Teilnehmer zeigen in den Trainings des Digitaler-Engel-Projekts, dass sie sehr wohl in der Lage sind, sich mit digitalen Kommunikationsmittel und Anwendungen auseinanderzusetzen. Oft fehlt einfach nur die passende Beratung oder Unterstützung. Oder das Wissen, dass Internet, Smartphone & Co das Alltagsleben im Alter erleichtern können.
Warum ist digitale Bildung für Senioren wichtig?
Bei Elisabeth nimmt die digitale Technologie mittlerweile einen hohen Stellenwert ein. Nicht zuletzt durch Corona gewann die digitale Teilhabe bei Ihr noch mehr an Bedeutung. Kürzlich wurde ihr schwindlig und sie bekam Herzrasen. Über das Handy kontaktierte sie den Notarzt, der glücklicherweise Entwarnung geben konnte. Auch kann sie jetzt bei einem Vorfall schnell eine Online Sprechstunde mit dem Arzt durchführen. Im Haus und auf dem Handy ist eine Smart-Technologie inklusive Sturzerkennung installiert. Per Kurzwahltaste hat sie im Nu ihre Tochter angerufen. Geht diese nicht ran, hinterlässt sie eine Sprachnachricht. Einfache Behörden- und Bankgänge kann sie mittlerweile online erledigen. Das Versenden von E-Mails per Spracheingabe erleichtert ihr hier die Kommunikation. Zusammen mit ihren Nachbarn ist sie in einer Whatsapp-Gruppe, um sich gegenseitig zu unterstützen oder um Hilfe zu bitten.
Smart-Home & Digitalisierung für selbstbestimmtes Leben im Alter
Der Garten ist Elisabeths Leben und sie will so lange wie möglich in den vier Wänden wohnen bleiben. Ein Grundbedürfnis, das durch die Digitalisierung eine Selbstverständlichkeit geworden ist. Einem Umzug in eine Pflegeeinrichtung ist sie damit vorerst entgangen. Doch auch wenn sie pflegebedürftig werden sollte, können ihr in Zukunft technische Assistenzsysteme und die Smart-Home-Technologie helfen, zu Hause zu bleiben. Elisabeth ist dankbar über die vielfältigen digitalen Anwendungen. Selbst intelligente Beleuchtungs- und Türsysteme will sie bald installieren. Ihre Tochter hat ihr mittlerweile einen Saugroboter besorgt. Der fährt einmal in der Woche durch die Zimmer.
Fazit: Digitalisierung als zukunftsweisende Chance für ältere Menschen
Die Auswirkungen der digitalen Teilhabe auf das Alltagsleben im Alter sind enorm. Mobilität, Wohnen, Gesundheit, Pflege, Sicherheit und soziale Integration sind nur einige Lebensbereiche, die durch die Digitalisierung verbessert werden. Zudem hilft die Technologie, länger selbstständig zu bleiben. Der Umgang mit Smartphone-, Computer- und Tablet sollte aus diesem Grund bei der älteren Generation zum Standard werden. Zumal ein selbstbestimmtes und selbstständiges Leben im Alter eine Selbstverständlichkeit sein sollte.
Elisabeths Fall zeigt, dass es für den Umgang mit Internet, Smartphone & Apps nie zu spät ist. Die digitalen Kommunikationsmittel stellen im Alltag zudem eine wichtige soziale Komponente dar. Elisabeth kann dank der digitalen Kommunikation öfter mit ihren Kindern und Enkeln Video-Anrufe durchführen und am gesellschaftlichen Leben teilnehmen.
Der Digitale Engel ist mit lokalen Akteuren vor Ort vernetzt. Gemeinden, Vereine und Verbände können mit dem Projekt über die Webseite www.digitaler-engel.org in Verbindung treten und diese für die Vermittlung digitaler Kompetenzen einladen. Die Organisation wird von der Bundesregierung und dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSF) gefördert und unterstützt. Bundesfamilienministerin Franziska Giffey plant derzeit eine bessere Verbreitung digitaler Technologien und deren Nutzung durch ältere Menschen. Es ist ein Schwerpunkt des Ministeriums.
Quellen:
https://www.digitale-chancen.de/index.cfm/lang.1
https://www.digitaler-engel.org/
https://www.bmfsfj.de/blob/159704/3dab099fb5eb39d9fba72f6810676387/achter-altersbericht-aeltere-menschen-und-digitalisierung-data.pdf