Konzept Pflegehof: Bauernhof statt Seniorenheim!
Konzept Pflegehof: Bauernhof statt Seniorenheim!
Lebensort Bauernhof als Ort der Betreuung und Pflege von älteren Menschen. Das Konzept Green Care, dass in den Nachbarländern Deutschland schon relativ weit verbreitet ist, etabliert sich gerade in der Bundesrepublik. Bauernhofresidenzen in Form eines Altersheims, auch Pflegehof genannt, gibt es derzeit an rund 30 Standorten in Deutschland. Die ländlichen Pflegeeinrichtungen kümmern sich unter anderem um Senioren und Demenzkranke mit und ohne körperliche Einschränkungen. Für ältere Menschen, die gerne auf dem Land leben und mit Tieren zusammen sind, stellt diese Art der Pflege eine belebende Bereicherung dar.
Projekt Marienrachdorf
In Rheinland-Pfalz gibt es in Marienrachdorf ein solches Projekt. Auf einem Pflegehof lebt eine Bauernfamilie, die Senioren und Seniorinnen aufgenommen hat. Aktuell wohnen dort 16 Rentner. Sie werden aktiv in den Alltag des Bauernhofs eingebunden, kümmern sich um die Tiere, helfen bei der Feldarbeit, kochen Mahlzeiten und übernehmen andere Arbeiten, die auf dem Hof anfallen. Diese außergewöhnliche Senioren-WG, die über eine Pflegebetreuung verfügt, genießt ihren Lebensabend in vollen Zügen. Und packt mit an, wo sie kann. Eine der älteren Damen erklärt: „Ich habe überhaupt kein Heimweh, mir geht es gut. Ich fühle mich wie in einer Familie. Wir sind eine Familie.” Und genau wie in einer Großfamilie spielt sich das Leben auf dem Pflegehof gemeinsam ab. Treffpunkte sind der Garten, die Küche und das Wohnzimmer. Aber auch die Tierställe. Jeder hat sein eigenes Zimmer und kann Besuch haben, wann er möchte. Für die Unterkunft zahlen die Senioren Miete. Zudem entscheidet jeder Bewohner und jede Bewohnerin selbst, welcher Pflegedienst beauftragt werden soll. Daneben gibt es eine gemeinschaftliche Haushaltskasse für Versorgung und Lebensmittel.
Länger fit bleiben durch körperliche Arbeit und Natur
Auf einem Bauernhof gibt es immer etwas zu tun. Wer kann und will, darf mithelfen und sich aktiv einbringen. Das ist natürlich keine Voraussetzung, um auf einem Pflegehof zu wohnen. Doch die Praxis zeigt, dass die Senioren dankbar sind, sich körperlich und geistig zu betätigen. Sie helfen gerne aus. Anders als in einem normalen Altersheim können die Hofbewohner aktiv am Alltag teilnehmen und müssen sich nicht rund um die Uhr versorgen lassen. Das Pflegepersonal erklärt: „Das, was sie tun können, tragen sie bei. Sie trainieren dabei ihre Fitness und Fähigkeiten und lernen sogar Neues.” Auf dem Hof in Marienrachdorf ist eine der Seniorinnen zum Beispiel für den regionalen "Eierkäse" verantwortlich. Diese Spezialität, die aus gemolkener Milch hergestellt wird, kannte die ältere Hofbewohnerin zuvor nicht. Jetzt bereitet sie diesen Käse eigenständig zu. Senioren, die auf Pflegehöfen wohnen, bleiben länger fit und profitieren von der Gemeinschaft. Diese motiviert wiederum, etwas beitragen zu wollen. Anstatt nur Pflege zu empfangen, geben die älteren Menschen etwas zurück.
Der niederländische Psychologe Bram de Boer untersuchte, ob Pflegehöfe für ältere Menschen sinnvoll sind. Sein Ergebnis: Senioren sind dort wesentlich aktiver und zufriedener. Sie unterhalten sich häufiger und leben gesünder. Das eigene Zimmer wird von den betagten Bewohnern nur selten betreten. Abwechslung gibt es auf dem Bauernhof schließlich mehr als genug.
Alternative zum Alleinleben
Viele Senioren können nicht mehr alleine leben. Aber in ein klassisches Altersheim will kaum einer von ihnen. Einquartiert in einem Zimmer mit verstellbarem Metallbett, mitten in der Stadt, das mag sich kaum jemand als neue Bleibe ausmalen. Umfragen zeigen, dass rund 90 Prozent der älteren Menschen ihr Leben so selbstständig wie möglich weiterleben möchten, auch wenn sie Pflege benötigen. Die Pflegehöfe stellen hier einen innovativen Ansatz dar. Sie bieten Natur, Tiere, Ruhe und Eigenständigkeit. Konventionelle Pflegeeinrichtungen können da nicht mithalten. Einsamkeit und Monotonie sind dort oft an der Tagesordnung. Auf einem Pflegehof kommt das Gefühl, alleine zu sein, nicht so schnell auf. Anstatt künstlicher Beschäftigungsprogramme können die älteren Hofbewohner zudem sinnvollen Aktivitäten nachgehen. Dadurch erfahren sie Wertschätzung. Das bestärkt und hält gesund. Anstatt eine Last für andere zu sein, haben die Senioren das Gefühl, gebraucht zu werden. Das ist in der Pflege ein wichtiger Ansatz.
In der Zukunft mehr “Green Care” Projekte
Noch gibt es in Deutschland zu wenige “Green Care”-Projekte. Das Konzept findet aber immer mehr Nachahmer. Zumal es viele Senioren aufs Land zieht und die landwirtschaftlichen Betriebe von den älteren Bewohnern profitieren. Sie erhalten dadurch tatkräftige Hilfe und profitieren von zusätzlichen Einnahmen aus der Miete. Viele Bauern können ihre Kleinbauernhöfe kaum noch halten. Mit diesem Konzept kommen sie gut über die Runden. Auch ohne Massentierhaltung.
Für ältere Menschen sind Pflegehöfe eine lebenswerte Alternative zu konventionellen Altersheimen. Dennoch ist die Unterkunft nicht ganz günstig. In Marienrachdorf arbeitet das Pflegepersonal 24 Stunden im Zwölf-Schichten-System. Das Wohnen inklusive Pflege kostet etwa 1.600 Euro. Die Krankenkasse bezuschusst derzeit nur rund 200 Euro für "Green Care Wohnen”. Allerdings kann die Unterkunft im normalen Pflegeheim - je nach Pflegestufe - ebenfalls kostenintensiv sein. Laut des Verbandes der Ersatzkassen müssen Senioren im Durchschnitt monatlich 1.940 Euro aus eigener Tasche für das Pflegeheim bezahlen.
Quellen:
http://www.soziale-landwirtschaft.de/startseite/
https://www.greencare.at/projekte/green-care-deutschland/
https://www.trendsderzukunft.de/bauernhof-als-altenheim-tiere-und-mitarbeit-aktivieren-lebensgeister/
https://www.netzwerk-alma.de/index.shtml
https://msagd.rlp.de/de/unsere-themen/wohnen/beispiele-aus-den-regionen/wg-marienrachdorf/
https://www.ksta.de/panorama/gegenentwurf-zum-altenheim-senioren-wg-mit-huhn-und-kuh-auf-dem-pflegebauernhof-31635570?cb=1606213967743
https://www.ndr.de/ratgeber/gesundheit/Pflegeheim-Wie-teuer-ist-ein-Platz,pflegeheimkosten100.html