Phänomen Altersüberschuldung: Viele Rentner können Rechnungen nicht mehr bezahlen

Der aktuelle Schuldneratlas der Wirtschaftsauskunftei Creditreform ist alarmierend. Viele Rentner sind verschuldet und von Altersarmut bedroht. In den letzten sechs Jahren hat sich die Zahl der überschuldeten Senioren mehr als verdreifacht. Im vergangenen Jahr stieg die Anzahl der verschuldeten Rentner sogar um ganze 23 Prozent an.

Den offiziellen Daten des Schuldneratlas zufolge stecken knapp 500.000 Menschen ab 70 Jahren tief in den Schulden. Bei den 60- bis 69-Jährigen sind es sogar 725.000 Menschen. Experten vermuten, dass sogar weitaus mehr Senioren unter Armut leiden, als das die offiziellen Zahlen widerspiegeln. Viele kämpfen um die roten Zahlen auf dem Konto. Die Rente reicht ihnen nicht mehr zum Leben. Es bleibt nur noch der Weg zur Tafel oder zu Seniorenhilfen wie dem z.B. Verein LichtBlick.

Die Scham ist zu groß, Hilfe anzunehmen

Das Problem ist, dass sich viele Senioren schämen, Hilfe anzunehmen. Dass sie jeden Cent umdrehen müssen und arm wie eine Kirchenmaus sind, wollen sie nicht zeigen. Zu groß ist die Scham über die eigene Not. Auch wollen sie niemanden zur Last fallen. “Ich wusste mir nicht anders zu helfen, also habe ich Leergut gesammelt, um ein paar Euro mehr im Monat zum Leben zu haben”, erzählt eine Rentnerin. Sie ist nicht die einzige, die lieber Leergut sammelt, als ins Sozialamt zu gehen. Selbst die eigene Familie weiß oft nicht, dass das Geld nicht einmal für Sonderangebote im Supermarkt reicht. Sich aus der schwierigen Situation heraus zu kämpfen, gelingt nur den wenigsten. Dennoch verweigern viele Senioren Hilfe. Doch so sparsam sie auch leben, die Rechnungen können sie trotzdem nicht mehr bezahlen.

Jede fünfte Rentnerin ist von Altersarmut betroffen.

Besonders hart trifft es ältere Frauen. Sie sind von Altersarmut stärker betroffen als Männer. Meistens ist der Ehemann bereits verstorben oder sie sind geschieden. Die Witwenrente oder normale Rente reichen nicht zum Leben aus. Gearbeitet haben viele ältere Frauen nicht. Sie waren in erster Linie Hausfrau und Mutter. Und selbst diejenigen, die berufstätig waren, arbeiteten nicht durchgängig oder schieden aufgrund von Schwangerschaften und Kindererziehung aus dem Berufsleben aus.

Die durchschnittliche Rente von Seniorinnen liegt laut der deutschen Rentenversicherung bei rund 700 Euro (je nach Bundesland). Davon müssen Miete, Nebenkosten, Lebensunterhaltungskosten und eventuell Steuern abgezogen werden. Oft bleiben nicht mehr als 150 Euro im Monat zum Leben übrig. Altersforscherin Irene Götz der Universität München hat mit Seniorinnen gesprochen, die unter Armut leiden. Sie berichtet, dass sich die meisten älteren Frauen mit rigorosen Sparmaßnahmen über Wasser halten: Sie suchen nach billigen Lebensmitteln und Supermarktmüll, verweigern kostenintensive Zahnbehandlungen, verzichten darauf, im Winter die Wohnung zu heizen, schneiden sich die Haare selbst oder essen ein paar Tage lang nichts. Die Grundrente, die ab 2021 kommen soll, ist nur für wenige Rentnerinnen ein Lichtblick. Auch in der Zukunft werden viele von ihnen mit Altersüberschuldung konfrontiert sein. Das ist ein ernstzunehmendes Problem.

Gründe für Schulden im Alter

Einer der Gründe für die Altersüberschuldung ist das erwähnte niedrige Rentenniveau. Selbst Männer haben im Durchschnitt nur eine Rente von rund 1.000 Euro monatlich zur Verfügung. Über eine hohe Rente können sich nur wenige Senioren freuen. Um die Standardrente von 1.538,55 Euro zu erhalten, muss mindestens 45 Jahre in die Rentenkasse eingezahlt und stets ein gleichbleibender Betrag verdient worden sein. Allerdings kommt kaum jemand auf 45 Beitragsjahre. Und junge Menschen steigen heute sowieso später ins Berufsleben ein, da viele von ihnen zuerst studieren.

Auch der breite Niedriglohnsektor sorgt für Altersarmut. Hinzu kommt, dass viele Senioren mit hohen Gesundheitskosten und Medikamentenzuzahlungen konfrontiert sind und die bald eingeführte Grundrente zwar eine gute Idee darstellt, aber deutlich zu gering bemessen ist.

Info: Die Standardrente ist eine rein statistische Zahl, die zu Vergleichszwecken herangezogen wird. Als Eckdaten für die Berechnung dieser fiktiven Rente werden 45 Beitragsjahre mit einem immer gleichbleibenden durchschnittlichen Verdienst herangezogen.

Quellen:

https://www.creditreform.de/aktuelles-wissen/pressemeldungen-fachbeitraege/news-details/show/default-16006b533b
https://seniorenhilfe-lichtblick.de/
https://www.deutsche-rentenversicherung.de/SharedDocs/Downloads/DE/Statistiken-und-Berichte/statistikpublikationen/rv_in_zahlen_2020.html
https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2020-09/statistisches-bundesamt-armutsgefahr-aeltere-menschen-altersarmut-zuwachs-armut?utm_referrer=https%3A%2F%2Fwww.google.de%2F

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