Wann es Zeit ist, im Alter den Führerschein abzugeben
Sie sind alt, aber fahren noch. Senioren sind viel auf den Straßen unterwegs, biegen ab, blinken, überholen oder bremsen. Dass dabei die Aufmerksamkeit und Konzentration nicht immer in Höchstform ist, ist normal. Problematisch wird es, wenn dadurch das Autofahren zum Risiko wird. Viele ältere Menschen halten dennoch an ihrem Führerschein fest. Denn ein Auto zu besitzen und zu fahren, bedeutet unabhängig und mobil zu sein. Das wollen viele nicht aufgeben. Laut dem Kraftfahrtbundesamt fahren rund 16 Millionen Menschen über 65 Jahre noch einen Pkw, was rund einem Viertel aller Autofahrer in Deutschland entspricht. Zwei Millionen davon sind sogar über 75-Jahre alt. Viele von ihnen sind rüstig, haben viel Fahrerfahrung, rasen nicht und fahren vorausschauend. Dennoch: Die Generation 65+ macht 34 Prozent der Verkehrstoten aus. Bei einem Autounfall mit Personenschaden sind sie in der Regel der Hauptverursacher. Und zwar in über 75 Prozent der Fälle. In keiner anderen Altersgruppe ist dieser Wert so hoch. Das zeigt, dass Senioren in viele Unfälle verwickelt sind und ein höheres Risiko haben, bei einem Verkehrsunfall zu sterben.
Senioren sind gefährdete Verkehrsteilnehmer
Autofahren spielt für viele ältere Menschen eine wichtige Rolle. Doch im Alter nimmt die Fahrtüchtigkeit immer weiter ab. Verstärkt wird dies durch Medikamenteneinnahmen oder Krankheiten. Trotzdem fahren viele, bis es absolut nicht mehr geht, oder ein Unfall passiert. Der Altersforscher Dr. Jürgen Howe untersuchte die Automobilität im Alter und kam zu folgendem Ergebnis: “Rund ein Viertel der Senioren ab 70 zeigt kognitive Einschränkungen. Seh- und Hörvermögen verschlechtern sich ab diesem Alter und die motorischen Fähigkeiten lassen nach.” Auch konnte der Altersforscher nachweisen, dass Senioren komplexe Situationen deutlich schlechter erfassen können als junge Autofahrer. Die Ausdauer lässt ebenfalls nach. Nicht immer sind sich ältere Autofahrer ihrer Schwächen bewusst. Und selbst wenn, reagieren sie nicht unbedingt vernünftig. Selbst wenn sie sich beim Autofahren bereits extrem unsicher fühlen, hören sie damit nicht auf. Dann wird es gefährlich.
Kann ich noch gut genug fahren? So lässt es sich herausfinden
Kann ich noch gut genug fahren? Stelle ich eine Gefahr im Straßenverkehr dar? Wie lange darf ich noch fahren? Wer sich das als älterer Autofahrer fragt, der hat den Moment der Unsicherheit erreicht. Dann ist es an der Zeit, herauszufinden, wie fahrtauglich man noch ist. In vielen Städten und Gemeinden werden von der Polizei, dem ADAC oder der Verkehrswacht Präventions- und Übungsprogramme für autofahrende Senioren angeboten. Sie beinhalten Sehtest, Reaktionstest, Rückwärtsfahren, Slalomfahrten und ein altersgerechtes Fahrtraining. Viele dieser Kurse kosten unter 100 Euro. Daran teilnehmen ergibt Sinn, besonders für diejenigen, die mobil bleiben und keine Gefahr im Verkehr darstellen wollen. Unter den Teilnehmern sind laut Verkehrswacht auch Senioren, die sehr wohl noch verkehrstüchtig sind. Wieso sind diese dort? “Weil sie wissen wollen, ob sie wirklich noch so gut fahren, wie sie es glauben. Sie möchten wissen, wo sie stehen."
Experten raten Autofahrern ab 70 Jahren zum freiwilligen Test der Fahrtüchtigkeit. Dieser sollte alle zwei Jahre wiederholt werden. Er lässt sich auch in Fahrschulen absolvieren. Ein Fahrlehrer beobachtet den älteren Autofahrer im Verkehr und bewertet, wie sich dieser in verschiedenen Situationen verhält. Er kann schnell erkennen, ob jemand noch fahrtüchtig ist. Das Ergebnis des Tests führt nicht automatisch zum Verlust des Führerscheins. Danach muss derjenige selbst entscheiden, wie er handelt.
Anzeichen, die auf Defizite beim Autofahren deuten
Wer auf anderem Weg herausfinden will, ob er noch fahrtüchtig ist, sollte auf bestimmte Anzeichen achten. Wenn zum Beispiel die Beifahrer Angst haben, sagt das bereits viel aus. Wenn diese oder auch der Fahrer selbst zudem ein auffälliges Fahrverhalten bemerken, sollte ein Fahrtauglichkeitstest gemacht werden. Weitere Anzeichen für problematisches Autofahren sind eine langsame Reaktion in komplexen Situationen, das Vorfahrt nehmen, das Nicht-Kontrollieren des toten Winkels sowie viele Kratzer und Dellen am Pkw. Wer darüber hinaus öfter Verkehrszeichen und rote Ampeln übersieht, vergisst, den Blinker zu setzen, und von anderen Autofahrern regelmäßig angehupt wird, der sollte den Führerschein freiwillig abgeben.
Weitere Tipps für die Selbstkontrolle
Das Bundesministerium für Verkehr hat auf der Webseite der Verkehrssicherheitskampagne "runtervomgas" einen Selbsttest für Senioren veröffentlicht. Diesen sollten ältere autofahrende Personen regelmäßig durchführen. Dazu gehören folgende Fragen.
● Fällt der Blick vom Verkehr auf den Tacho, sprich von fernen auf nahe Objekte, schwer?
● Dauert es länger, bis sich die Augen auf wechselnde Lichtverhältnisse einstellen? Zum Beispiel bei einer Tunnelfahrt?
● Fallen Nachtfahrten schwer? Kommt Unsicherheit auf?
● Wie gut lassen sich Objekte aus den Augenwinkeln wahrnehmen?
● Lassen sich Hupen, Sirenen und andere Außengeräusche noch deutlich wahrnehmen?
● Wie schwer fällt der Schulterblick?
● Fällt es zunehmend schwerer, sich im Stadtverkehr konzentrieren? Vor allem in kritischen Situationen?
Fazit: Fahrtauglichkeitstest im Alter verhindert Unfälle und rettet Leben
Senioren verlernen das Autofahren nicht. Doch es kann vielen aufgrund zunehmender körperlicher und geistiger Beschwerden irgendwann schwerfallen, die Aufmerksamkeit und Konzentration beim Autofahren aufrechtzuerhalten. Trotz Freiheitsgefühl und Leidenschaft für die Beweglichkeit, sollten sich Senioren ab einem bestimmten Alter regelmäßig testen lassen und, wenn es sinnvoll erscheint, den Führerschein freiwillig abgeben. Denn wer den Führerschein in Deutschland einmal hat, der behält ihn für immer, es sei denn er hat zu viele Punkte in Flensburg. Senioren-Autofahrer sind also ihre eigenen Wächter.
Quellen:
https://www.runtervomgas.de/
https://www.kba.de/
https://www.sueddeutsche.de/auto/senioren-im-strassenverkehr-fahren-solange-es-geht-1.3297941
https://www.senioren-ratgeber.de/Freizeit/Fuehrerschein-Erhoehte-Unfallgefahr-im-Alter-546433.html