Vereinbarkeit von Pflege und Beruf – geht das?

Wer als Berufstätiger einen Angehörigen zuhause pflegen möchte, kann finanzielle und auch praktische Unterstützung im Alltag bekommen. Dafür musst du lediglich wissen, aus welchen Töpfen welches Geld wann und unter welchen Umständen gezahlt wird – und natürlich, inwieweit du auch deine Arbeitszeiten zugunsten der Pflege eines Angehörigen anpassen kannst. Bestimmte Begriffe und die wichtigsten Anlaufstellen sollten dir deshalb bekannt sein, damit du im Ernstfall nicht völlig verloren vor dieser schwierigen Situation stehst. Damit du nicht bei null anfangen musst, bekommst du im Folgenden einen kleinen Crash-Kurs.

Inhaltsverzeichnis

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Ad hoc für einen Angehörigen Pflege organisieren

Wenn du ganz plötzlich die Pflege für einen Angehörigen organisieren musst, hast du das Recht, zehn Tage dafür frei zu nehmen. Das kann passieren, wenn beispielsweise nach einem Schlaganfall dein Angehöriger ohne jede Vorwarnung nicht mehr für sich selbst sorgen kann. Auch kann nach einem Krankenhausaufenthalt sofortige Pflege zuhause nötig werden. Sofern du die zehn Tage für die Organisation dieser neuen Situation in Anspruch nimmst, bekommst du in diesem Zeitraum das sogenannte Pflegeunterstützungsgeld [1] – im Normalfall etwa 90 Prozent deines normalen Gehalts – als Lohnersatzleistung. Dieses Geld musst du bei der Pflegekasse beziehungsweise bei der privaten Pflegeversicherung beantragen.

Schnell möglichst viele Infos einholen

Jetzt gilt es, sich zügig vernünftige Beratung zu holen. Die gibt es zum einen direkt bei den Pflegekassen und zum anderen bei den sogenannten „Pflegestützpunkten“ [2]. Das sind unabhängige, gute Anlaufstelle, um schnell an alle nötigen Informationen zu Leistungen der Pflegekassen und ortsansässigen Pflegedienste oder anderen zugelassenen Anbietern für Betreuungsleistungen etc. aus deiner Region zu kommen. Dort wird dir auch dabei geholfen, die benötigten Formulare auszufüllen.

Den Alltag für deinen Angehörigen managen

Einen Pflegedienst wirst du brauchen, wenn pflegerische Maßnahmen notwendig sind, die du nicht selbst leisten kannst oder willst – beispielsweise Wundversorgung oder Hilfe bei der regelmäßigen Körperhygiene. Der Pflegedienst wird mit dir besprechen, welche ärztlichen Verordnungen es für deinen Angehörigen gibt und ob du darüber hinaus noch mehr Unterstützung brauchst. Die Mitarbeiter werden je nach Bedarf ab jetzt regelmäßig deinen Angehörigen besuchen. Abgerechnet wird diese Dienstleistung – sofern dein Angehöriger nicht privat versichert ist – direkt mit der Pflegekasse.

Länger zuhause bleiben für die Pflege

Bis zu sechs Monate kannst du dich unter bestimmten Voraussetzungen [3], und wenn du für einen Arbeitgeber mit mindestens 16 Angestellten tätig bist, für die Pflege deines Angehörigen ganz oder teilweise freistellen lassen. Das nennt sich dann „Pflegezeit“.  Bis zu drei Monate Freistellung gibt es für die Begleitung eines nahen Angehörigen in der letzten Lebensphase. Damit du über noch einen längeren Zeitraum mehr Zeit zuhause für deinen Angehörigen hast, kannst du bis zu 24 Monate Familienpflegezeit nehmen. Das bedeutet, dass du deine Arbeitszeit auf bis zu 15 Wochenstunden reduzieren – dich aber nicht komplett von der Arbeit freistellen lassen kannst. Aber Achtung: Diese Regelung greift nur bei Betrieben, die mehr als 25 Arbeitnehmer beschäftigen.

Kann ich mir das leisten?

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Wenn du eine Freistellung wie Pflegezeit oder Familienpflegezeit nach dem Pflegezeitgesetz in Anspruch nimmst, kannst du ein zinsloses staatliches Darlehen [4] erhalten, um finanziell durch diese Zeit nicht zu sehr belastet zu sein. Außerdem bekommst du in der Pflegezeit einen Zuschuss von bis zu 160,94 Euro monatlich für die Krankenversicherung und 31,67 für die Pflegeversicherung. Die Pflegeversicherung zahlt auch deine Beiträge für die Rentenversicherung, wenn du nicht mehr als 30 Stunden pro Woche während der Pflegezeit erwerbstätig bist.

Wer pflegt während ich im Urlaub bin?

Wenn du in den Urlaub fahren willst, selbst einmal krank bist oder keine Zeit hast, dann kannst du als pflegender Angehöriger die sogenannte Verhinderungspflege [5] in Anspruch nehmen. Allerdings erst, wenn du dich bereits nachweislich seit mindestens sechs Monaten um die Pflege deines Angehörigen kümmerst. Das gilt für maximal sechs Wochen pro Kalenderjahr und außerdem nur, wenn die zu pflegende Person mindestens in Pflegegrad 2 eingestuft ist. In diesem Fall übernimmt die Pflegeversicherung die Kosten für die Ersatzpflege durch Dritte, insgesamt bis zu 1.612 Euro pro Jahr. Allerdings nur, wenn die Person, die ersatzhalber für dich einspringt, nicht bis zum zweiten Grad verwandt ist und auch nicht in derselben häuslichen Gemeinschaft lebt. Außerdem gibt es auch noch die Kurzzeitpflege, bei der dein Angehöriger vorübergehend stationär untergebracht wird. Kurzzeitpflege und Verhinderungspflege kannst du kombinieren  – und so für einen der beiden Bereiche mehr Geld zur Verfügung haben.

Was deinem Angehörigen zusteht

Etwas verwirrend sind die vielen verschiedenen Töpfe, aus denen die verschiedenen Pflegeleistungen bezahlt werden. Deshalb werden gerne Begriffe durcheinandergebracht, die ähnlich klingen, aber unterschiedliche Dinge meinen. Beispielsweise Pflegegeld und Pflegesachleistungen. Pflegegeld und Pflegesachleistungen sind zwei paar Stiefel [6]! Dem Pflegebedürftigen stehen ab Pflegegrad 2 entweder das Pflegegeld bei Pflege durch einen Angehörigen oder sogenannte Pflegesachleistungen – die von einem Pflegedienst oder ähnlichem Dienstleister erbracht werden, in einer gewissen Höhe zu. Wie viel das genau ist, ergibt sich aus der Einstufung in einen bestimmten Pflegegrad. Diese Einstufung wird durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) festgestellt [7]. Daraus leitet sich ab, wie viel deinem Angehörigen zusätzlich zu den ärztlich verordneten Pflegemaßnahmen zusteht, um weitere Unterstützung im Alltag bezahlen zu können, etwa durch einen Pflegedienst oder andere zugelassene Dienstleister. Bezahlt werden davon dann sogenannte „SGB XI-Leistungen“. „SGB“ steht für „Sozialgesetzbuch" [8]. Dort sind die Unterstützungsleistungen näher definiert, die einem Pflegebedürftigen das Leben im Alltag erleichtern. Das sind beispielsweise Hilfen bei der Körperpflege, beim Einkauf oder beim Putzen.

So viel steht deinem Angehörigen zu, wenn er in den entsprechenden Pflegegrad eingestuft wurde:

  Pflegegeld monatlich Pflegesachleistungen
Pflegegrad 2 316 Euro 689 Euro
Pflegegrad 3 545 Euro 1.298 Euro
Pflegegrad 4 728 Euro 1.612 Euro
Pflegegrad 5 901 Euro 1.995 Euro

Wenn du Teile der tagtäglichen Aufgaben einem Pflegedienst überträgst, der Betrag aber nicht voll ausgeschöpft wird, weil du viele Aufgaben lieber selber übernimmst, kann das Pflegegeld auch mit den Pflegesachleistungen kombiniert werden. Entsprechend des genutzten prozentualen Anteils der Pflegesachleistungen bekommt dein Angehöriger dann auch noch anteilig das Pflegegeld.

Tipp

Ausführliche Informationen auf mehr als 200 Seiten bietet der „Ratgeber Pflege“ des Bundesgesundheitsministeriums. Du kannst ihn direkt aus dem Internet herunterladen: [9]. Wer es ganz genau wissen möchte, kann auch direkt im Sozialgesetzbuch nachlesen: [8].

Fazit

Wenn du dich an der Pflege deines Angehörigen beteiligen möchtest, darfst du im Job kürzertreten. Allerdings hängt das auch davon ab, wie viele Angestellte dein Arbeitgeber hat. Wenn dein Angehöriger mindestens in Pflegegrad 2 eingestuft wurde, kann er für die Organisation des Alltags Pflegeersatzleistungen in Anspruch nehmen - die nicht du erbringst, sondern ein Dienstleister. Das entlastet dich. Bei einem Pflegestützpunkt oder der Pflegekasse kannst du dich zu diesen Fragen detailliert beraten lassen.

Quellen & Hinweise

[1]: Pflegeunterstützungsgeld: https://www.aok.de/pk/fileadmin/user_upload/AOK-PLUS/05-Content-PDF/Infoblatt-Pflegeunterstuetzungsgeld.pdf

[2]: Pflegestützpunkten: https://www.bundesgesundheitsministerium.de/service/begriffe-von-a-z/p/pflegestuetzpunkte.html

[3]: Voraussetzungen für Pflegezeit: https://www.wege-zur-pflege.de/themen/pflegezeit.html

[4]: Zinsloses Darlehen: https://www.wege-zur-pflege.de/fileadmin/daten/Antraege/Familienpflegezeit/Neu_barrierefrei_30.03/Informationsblatt_barrierefrei.pdf

[5]: Pflege bei Verhinderung: https://www.bundesgesundheitsministerium.de/verhinderungspflege.html

[6]: Pflegegeld vs. Pflegesachleistungen: https://www.verbraucherzentrale.de/wissen/gesundheit-pflege/pflege-zu-hause/pflegesachleistung-oder-pflegegeld-welche-leistungsart-passt-zu-ihnen-13425

[7]: Medizinischer Dienst der Krankenkassen (MDK): https://www.mdk.de/ 

[8|: SGB-IX-Leistungen: https://www.gesetze-im-internet.de/sgb_11/BJNR101500994.html

[9|: Download "Ratgeber Pflege" des Bundesgesundheitsministeriums: https://www.bundesgesundheitsministerium.de/service/publikationen/pflege/details.html?bmg[pubid]=13

Kommentar von Marta Jasok |

Mein Vater hatte vor zwei Tagen einen Schlaganfall und wird nun in einer Spezialklinik operiert. Die Prognose ist gut, doch ich würde ihn gerne selbst zu Hause pflegen, da er bisher sehr selbstständig war und fremden Personen gegenüber sehr skeptisch ist. Ich habe aber folgende Zweifel: Wenn ich in einem Betrieb arbeite, in dem weniger als sechzehn Personen beschäftigt sind, muss mein Arbeitgeber dann trotzdem einer Freistellung zustimmen? Oder habe ich dann überhaupt keine Ansprüche auf Freistellung? Was beinhalten die bestimmten Voraussetzungen (3), die Sie in Ihrem Artikel erwähnten?
https://alterix.com/de/pflege/pflege-und-beruf-1108.html

Kommentar von Susanne M. |

Einen Angehörigen nach einem Schlaganfall zu pflegen, ist schwierig und geht an die Substanz. Das gilt insbesondere dann, wenn der Betroffene sich nicht mehr vollständig erholt und schwerstpflegebedürftig bleibt.
Wenn du dich freistellen lassen willst, hast du unabhängig von der Größe des Betriebs einen Rechtsanspruch auf eine kurzzeitige Arbeitsverhinderung von bis zu zehn Arbeitstagen, um alles Notwendige zu organisieren. Eine Freistellung von bis zu sechs Monaten ist nur für Mitarbeiter einer Firma mit 16 und mehr Beschäftigten, im Pflegezeitgesetz verankert. In so einem Fall kann man wohl nur auf das Verständnis und Entgegenkommen des Arbeitgebers hoffen.

Quellen:
https://www.wege-zur-pflege.de/familienpflegezeit
https://www.gesetze-im-internet.de/pflegezg/__3.html

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