Auf die Bremse - fertig - los
Als würden wir nicht seit Jahren schon genug ausgebremst, jetzt gibt uns die Regierung auch noch vor, wie wir zu tanken und bahnzufahren haben. Wenn es nicht seit Jahren schon geübt worden wäre, wie man Menschen Globalisierung vorgaukelt, aber in Wahrheit kleinste föderalistische Brötchen von Gemeinde zu Gemeinde und von Stadtteil zu Stadtteil backt, könnte man denken, dass irgendjemand sich Gedanken darum gemacht hat.
Zum Glück wissen wir es nach zwei Jahren Pandemie besser. Der Bürger, die Bürgerin und das Bürgerum kann frei entscheiden - im Rahmen der Bestimmungen, die keinerlei Bewegung oder Interpretation zulassen.
Nun steht uns also frei, ob wir weiterhin unseren kleinen Rest Lebensqualität erhalten und die empfundene Freiheit genießen, mit 200 km/h im Stau zu stehen, oder in fensterlosen Zügen ohne Klimatisierung (denn Klima ist ja ein böses Wort) mit anderen Fahrgästen nicht über die Verspätung des Ersatzzuges, in dem man gerade steht, weil die Sitze nicht nutzbar sind, sprechen zu dürfen.
Das Neun-Euro-Ticket
Aufwendig beworben wurde es, ohne zu sagen, wie es funktionieren soll. Es hat bis zwei Tage vor dem Vorverkauf gedauert, bis tatsächlich durchsickerte, dass es als Monatsticket zu verstehen sei, also Neun-Achtzehn-oder-Siebenundzwanzig-Euro-Ticket heißen sollte. Die Limitierung auf drei Monate - wie zuvor die Senkung der Mehrwertsteuer für Nicht-Lebensmittel auf sechs Monate - hängt mit dem Verhandlungsgeschick unserer weisen Führerinnen und Führer zusammen, weil ja erst im März 2022 und nicht seit Jahren darüber diskutiert wird, wie der öffentliche Personenverkehr attraktiver gestaltet werden kann und ob angesichts der Milliarden-Subentionen für die Bahn es nicht eh’ günstiger wäre, die verbliebenen Züge kostenlos nutzen zu lassen, statt darauf zu hoffen, dass keine weiteren Strecken eingestellt werden, die verbliebenen funktionierenden Züge gewartet und Gleise instand gehalten werden können, um die Straßen und blockierten Innenstädte zu entlasten.
Das ist etwa vergleichbar mit dem ‚Anreiz’, sich ein batteriebetriebenes Auto zuzulegen, ohne dass eine Infrastruktur zum Laden vorhanden wäre, weil ja der Großteil der Bevölkerung in Häusern mit Garagen lebt und nicht etwa in einem Mehrparteienhaus ohne Parkplatz, dass es egal sein könnte, ob von den abseits der Straßen versteckten Ladestationen eine betriebsbereit ist.
Barrierefrei
Zu kaufen gibt es das beliebte Ticket, das für jede Person gleichermaßen gilt, aber nicht etwa einfach am Automaten, am Schalter oder im Zug oder Bus, sondern darf unter Angabe der persönlichen Daten wie Lebensmittelallergien, Ausweisnummer zur Vermeidung von Betrugsversuchen oder auch Beziehungsstatus online bestellt werden. Die gleiche Raffinesse wie bei dem ersten Plan zur Spritpreissenkung, als man dem Tankwart nur seine Gehalts- oder Lohnabrechnung als Nachweis vorlegen sollte, dass man als Arbeitnehmer zur Inanspruchnahme berechtigt sei.
Da ist natürlich die nun angestrebte Lösung um ein Vielfaches besser, einfach eine der jahrelang mühsam ausgedachten und erhöhten Steuern wegzulassen. Schade nur, dass nun die Stationäre schimpfen, weil sie ja eine Versorgungspflicht haben und den noch teuer eingekauften Sprit ab dem 01.06. billiger anbieten sollen.
Um dem vorzubeugen, werden die Preise einfach jetzt schonmal um den Faktor erhöht, damit zur Vermeidung von Schlangen am Monatsanfang Juni die Leute weiter regelmäßig tanken und nicht etwa auf die angekündigte Senkung warten. So clever können nur Leute sein, die ihrer Einkommensquelle sicher sind.
Fraglich ist nur, wie es bei dem weinerlichen Getue sein kann, dass man erst den teuer eingekauften Sprit in den Tanks abverkaufen müsse, dass die Preise an den Zapfsäulen mehrmals täglich schwanken … ist es also in der Vergangenheit so gewesen, dass mehrmals täglich Lieferungen in unsichtbaren Tankwagen kamen, die der dusselige Konsument übersehen hat und deshalb nicht darauf warten konnte, bis der Stationär den Lieferfahrer bezahlt hat um zu sehen, ob es billiger wird. Oder könnte es doch sein, dass die Steuer nach Datum des Verkaufs abgerechnet wird und mit dem Einkauf des Mineralöls so viel zu tun hat wie ein Fisch mit Fahrradfahren?
Am besten befolgt man die Anweisung aus 2020: zuhause bleiben (im Freistaat Bayern: daheim). Dann kommt man mit der Entscheidung Bahn- oder Autofahren gar nicht in Berührung. Aber es ist natürlich nett, wenn Politiker uns sagen, man könne es doch nutzen, um Deutschland kennenzulernen, statt mit dem Flugzeug oder Auto selbstbestimmt irgendwo hin zu reisen, weil der Großteil der Bevölkerung ja den ganzen Tag nichts anderes macht als Reisepläne zu schmieden, wie man den CO2-Ausstoß so verantwortungslos wie möglich steigern kann, statt über seinen Lebensunterhalt nachzudenken oder wie bescheuert es ist, mit dem Auto fahren zu müssen, weil weder Fahrgemeinschaften noch Bus und Bahn annähernd in der Lage wären, Geld oder Zeit zu sparen, die man seinem Arbeitgeber zur Verfügung stellt. Immerhin ist mit der Aussage belegt, dass es Politikern lieber um unsere Freizeitgestaltung geht als um unsere täglichen Sorgen.
Kommentare
Kommentar von Walter |
Diese Rundumklatschen mag ich am liebsten - wenn jeder sein Fett weg kriegt
Kommentar von kein |
Nicht zu vergessen, dass der Vorschlag, damit doch durch die Republik zu reisen statt zu fliegen, maximal durchdacht ist. Das 'Angebot' gilt nur für den NAH-Verkehr, nicht für den FERN-Verkehr.
Kommentar von nocht mal 'kein' |
Neben dem Umsteigen und den langsameren Zügen hat auch niemand daran gedacht, vorher die Infrastruktur wieder herzustellen. Das marode Streckennetz ist in einem so erbärmlichen Zustand, dass viele Verbindungen sowieso nicht mehr auf Schienen möglich sind, sondern 'Ersatzverkehr' in Bussen (das sind die lauten Diesel- und Feinstaubschleudern) stattfindet - oder stattfinden soll, ein- bis zweimal am Tag.
Antwort von Content Manager
Vielen Dank für die Ergänzungen (nicht ironisch gemeint)
Auch hat in den Artikel nicht mehr gepasst, dass nach wie vor die Maskenpflicht gilt. Das heißt also, dass der durchschnittliche Punker, der von Berlin nach Sylt reisen möchte, eine extra Zehnerpackung Masken mitnehmen sollte. Denn wir wissen ja, dass diese eine maximale Tragedauer haben, bevor sie ihre Eigenschaften verlieren (das Filtern von Aerosolen, nicht übel aussehen). Praktischerweise wäre diese bei jedem Umsteigen zu wechseln, also sechsmal in knapp neun Stunden regulärer Fahrzeit - mit dem IC/ICE ohne oder einmaliges Umsteigen in 5 1/2 Stunden.
Kommentar von Mona Weber |
Uns wird immer verkauft, dass Öffis zu nutzen stressfreier sei, als selbst einen PKW zu fahren. Geht es nur mir so, dass es aggressiv macht am Bahnsteig zu stehen und auf verspätete Züge zu warten? Die Bahn verschlechtert sich doch nur noch. Da verpasst der Fahrgast seinen Flug und so weiter. Über sowas tröstet mich auch kein 9 Euro Ticket hinweg. Und zudem soll der Bürger noch dauerhaft in Bus und Bahn eine Maske tragen? Alles währenddessen der Politiker ohne Maske fliegen darf! Wer fühlt sich außer mir noch alles verschaukelt von dieser Politik?
Kommentar von Susanne M. |
Ich kenne einige Leute, die Just vor Fun das 9-Euro-Ticket kauften, weil sie einfach Lust hatten, für wenig Geld mit der Bahn kreuz und quer durch Deutschland zu fahren. Auch für die Ukrainer, die bisher kostenfrei den ÖPNV hatten nutzen dürfen, war es interessant, weil noch erschwinglich.
Auf verspätete Züge und die darin geltende Maskenpflicht hatte ich keine Lust und verzichtete daher lieber auf das 9-Euro-Ticket. Da nahm ich lieber die teureren Spritpreise in Kauf, zumal ich für den Weg zur Arbeit mit der Bahn mindestens dreimal so lang gebraucht hätte.
Kommentar von Melanie Dittmer |
Bei 20 Zugfahrten kamen fünf Züge gar nicht, ersatzlos gestrichen. Die übrigen 15 Zugfahrten funktionierten nicht reibungslos. Verspätete Züge, Anschlusszüge verpasst auf der Strecke stehen geblieben. Entschuldigung, aber dafür ist mir meine Lebenszeit zu schade. Genauso der Hype um Mitfahrzentralen, entweder kommen die Fahrer erst gar nicht und dann stehst du umsonst am vereinbarten Treffpunkt oder aber die besetzen die Autos bis zum Anschlag, ein Huhn auf der Stange fände das vielleicht klasse - ich nicht. Daher fahre ich lieber weiter mit dem eigenen Auto. Den Luxus lasse ich mir auch gerne was kosten. Hauptsache ich komme entspannt an und bestimme meinen Zeitplan selbst. Wer sparen will, der kann das durchaus. Hin und wieder nehme ich jemanden über Bla Bla Car mit. Die App findet sich kostenlos im Android Store und auch im Applestore. Ich bin dann auch so nett und lade maximal zwei Mitfahrer ein. So bleibt ausreichend Bewegungsfreiheit und auch die Taschen passen noch gut in den Kofferraum. Infos findest du hier: www.blablacar.de
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