E-Zigaretten auf dem Vormarsch

Vielen Zeitzeugen war es nur eine Frage der Zeit, dass sich in der digitalen Welt von E-Mail und E-Smog das Rauchen nicht mehr auf die analoge Methode beschränkt. Die technischen Voraussetzungen zum Nikotinkonsum ohne qualmende Zigarette haben bisher abgeschreckt, doch die neuen Methoden schlagen alle Erwartungen in den Wind. Das unförmige Phallusgerät gehört der Geschichte an. Nicht einmal Prostituierte wären auf die Idee gekommen, so ein Teil in aller Öffentlichkeit in den Mund zu nehmen. 

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Von der Optik eines überdimensionierten Massagestabes für die unbefriedigte Dame bis zum Urethralvorbereitungsdildo reicht die Palette an E-Zigaretten heute

Dank Mikrominiaturisierung ist es endlich möglich, die Giftstoffe noch besser zu konzentrieren, ohne dass die Menschen in der Umgebung es wahrnehmen. Das mag nach Zauberei oder zumindest Nikotinpflastern klingen, aber es ist viel raffinierter. Heutzutage geht es nicht mehr wie damals mit der E-Maille, einfach Sand verbrennen und Vasen daraus machen, im 21. Jahrhundert wird Wert auf ausgeklügelte oder zumindest unnötig komplizierte Technik gelegt, Hauptsache, die Geräte sind klein - siehe Smartphones.
Anders als bei den komplettintegrierten Taschenrechnern mit Telefonantennen, die unsichtbar strahlen, war das Manko der Knüppelelektrik der E-Zigarette, dass der Dampf als unverkennbares Merkmal diente: hier ist ein umweltbewusster Raucher, der sich selbst vergiften möchte, aber Rücksicht auf seine Mitmenschen nimmt. In Zeiten von Corona reicht das aber nicht mehr. Wer will schon an einem Glimmstengel nuckeln, wenn niemand die Drogenabhängigkeit sehen kann. Dann könnte man ja wie Kojak in den 70ern einen Lolli in den Mund stecken, damals hatte niemand im Sinn, dass der im Mund gelöste Zucker den Zahnschmelz angreifen, dass es ansteckend sein oder überhaupt um eine Ersatzbefriedigung der Nikotinsucht gehen könnte.

Seit der Bestimmung, dass die Zeit, in der man raucht, nicht als Arbeitszeit gilt (sag das mal einer den Arbeitern, die den ganzen Tag mit Glimmstengel im Mund die Kanthölzer über die Baustelle schleppen), suchte die Industrie lange Zeit nach einer Lösung. Inspiriert wurde sie dabei von den Vorgaben ‚für Beamte zum Genuss von Alkohol in den Arbeitsräumen‘: lehnt man sich weit genug aus dem Fenster, findet es nicht mehr in den Räumen statt - und schüttelt man sich anschließend oder verzieht das Gesicht vor Ekel, ist es kein Genuss.

So entwickelte sich aus E-Zigarettenhüllen, die eher wie Dildos aussahen, allmählich immer schmalere und kleinere Verdampfer, und heute präsentieren sich die Elektrozigaretten in schmuckvoll lackierten Stiften, die auch als Eyeliner durchgehen könnten. Die gehobene Dame am Arbeitsplatz wirkt also, als knabbere sie nachdenklich an ihrem Schminkutensil und muss sich zum Rauchen nicht mehr in die Pause abmelden. Der Herr im Management hingegen nutzt die Businessvariante, die als Rotstift getarnt vermittelt: hier strengt sich der Chef an, Arbeitsplätze zu retten.

Die Win-Win-Situation geht aber noch weiter. Da die Liquids nur einen Bruchteil der Substanzen enthalten, die bei der herkömmlichen Zigarette quasi versehentlich verbrannt und eingeatmet werden - es sind etwa 3000, von denen aber nur etwa 100 nachweislich krebserregend sind - beschränkt sich die herstellende Industrie deshalb darauf, in den Qualmersatz nur die wichtigsten und höchstgiftigen Stoffe zur Befriedigung der Sucht ihrer Kunden einzusetzen. Wer noch nicht mit dem Rauchen angefangen hat, muss es jetzt einfach tun.

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