Eine Woche voller Freitage
Stimmt schon, im Buch von Paul Maar, das im Jahre 1977 im Auftrag des auch heute seltsamerweise noch existierenden Hessischen Rundfunks von der Augsburger Puppenkiste verfilmt wurde und viele Adaptionen unter anderem als Theaterstück erfahren hat, dreht es sich um die Umformulierung für den Sonnabend seitens der Post, die die Wochentage mit zwei Buchstaben abkürzen wollte. Und da zweimal ‚So‘ nicht hilfreich war, wurde der Samstag geschaffen. Dabei wollte man den im Englischen nach dem Planeten Saturn benannten Tag eigentlich Sarstag nennen - das klingt aber nicht so lustig (ein ganz wichtiger Punkt bei der durchweg humorvollen Post).
Lustig klingt ‚Cyberweek‘ und ‚Black Friday‘ auch nicht, vor allem dann, wenn man Anglizismen ohnehin schon bescheuert findet, aber was die um unsere Gunst buhlende Versandindustrie für Wege findet, unsere Konsumwut zu entzerren, dass wir nicht alle Einkäufe im Dezember erledigen, geht in diesem Jahr ganz klar in die Hose.
Die Post warnte schon im September
Passend zum Plätzchen-, Weihnachtsstollen- Lebkuchen- und Nuss-Zimt-Verkaufsstart in den Supermärkten, Discountern und den verbliebenen Kaufhäusern wies das notorisch überforderte frühere Beförderungsmonopol darauf hin, Geschenke spätestens in der 35. bis 39. Kalenderwoche in den Versand zu geben, wenn es rechtzeitig zur Wintersonnenwende an den Empfänger ausgeliefert werden sollte. Und dabei war noch nicht mal berechnet worden, dass die Milliarden kleinen Chinesenhände ja die Mikrochips erst herstellen müssen, die nun überall auf der Welt fehlen.
Wer also heute für eine Black-Friday-Woche und den Cyber-Week-November wirbt, hat die Strategie dafür bestimmt noch im August erstellt, als die vierte Welle mit der Delta-Variante gerade ihren Anlauf nahm. Berücksichtigen sollte man auf jeden Fall, dass natürlich alle kreativen Werbedichter davon ausgehen, dass der durchschnittliche Germane ohnehin keinen Schimmer hat, was friday oder week bedeutet. (Anm. d. Red.: friday heißt ‚freie Woche‘ und week steht für ‚schwacher Monat mit 30 Tagen‘)
Rotstiftverkäufe
Wir wissen alle, dass die wirklich guten und wichtigen Errungenschaften unserer Gesellschaft aus den Vereinigten Staaten hinter dem großen Teich stammen. So auch die Erkenntnis, dass die Suggestion einer Preissenkung mittels Rotstift gänzlich unzureichend ist. Daher wird traditionell in den USA ein besonderes Angebot mittels schwarzem Balken deutlich gemacht. Das haben sich die Werbetreibenden bei der Zensur von Bildern und Filmen abgeschaut, bevor es digitale Verpixelungen gab.
Wer also darauf hoffte, beim Aussuchen und Kaufen eines elektronischen Geschenks, das in gut einem Monat auf dem Gabentisch liegen soll, noch bis Ende November warten zu können, um radikale Schnäppchenpreise zu erhaschen … für den ist es jetzt zu spät.
Aus diesem Grund hat die Bundesregierung überlegt, da es kein Grundrecht auf Weihnachen gibt (wie auch nicht für Kultur, Kunst, geistige Erbauung oder Bildung grundsätzlich), die Bescherung für März nächsten Jahres in Aussicht zu stellen. Natürlich nur, wenn das Infektionsgeschehen das bis dahin zulässt und die Lieferketten sich erholt haben. Darüber wird dann in der Sitzung des noch zu wählenden Feiertagsausschusses Im April 2047 rückwirkend entschieden.
Lieferengpässe versus Konsumwut
Der gutgemeinte Plan, den dummen Konsumenten zuvor zu kommen, dass sie keine Last-Minute-Käufe tätigen müssen, um ihre Konsumwut zu befriedigen, beruht ja auf der Annahme, dass die Globalisierung funktioniert und nicht über 20 Monate Schockstarre in der Politik für die Industrie zum Stolperstein wird.
Das wohltuende Ergebnis ist, dass wir durchatmen können: Ausfall der Weihnachtsfeiern im Familienkreis, nie wieder Weihnachtsmarkt, kein Geschenkzwang, kein Stress oder Streit, kein Winter, leere Autobahnen, wegen Stromausfall Tütensuppe allein bei Kerzenschein, Besinnlichkeit und Entspannung pur.
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