Polanski als Sieger der Herzen

Gern würden wir alle #metoo vergessen, doch was will man machen, wenn die Frauen, die die Diskussion in die Welt gesetzt haben, einfach keine Ruhe geben wollen? Die Filmschaffenden schaffen es ohnehin nicht, den Einladungen von all den Filmakademien zu ihren pracht- und prunkvollen Verleihungsveranstaltungen nachzukommen, da haben es Athleten schon einfacher, weil die Sportbünde ihre Wettbewerbe untereinander planen. Nach der Verleihung der US-amerikanischen Filmakademiepreise, der Berlinale in Berlin, die witzigerweise statt eines Hampelmanns eine Tierfigur vergibt, und der großartigen Glückskeksawards im Saarland brauchten die Damen ihre Roben und die Herren ihre Smokingjackets gar nicht erst abzulegen, ehe es nach Paris ging, zu den Filmfestspielen im Salle Pleyel, wo 22 Nominierungen und 3 Sonderpreise darauf warteten, den drittwertvollsten Preis der Filmindustrie in Empfang zu nehmen, gerade rechtzeitig, bevor alle Veranstaltungen, bei denen mehr als fünf Personen zusammenkommen, wegen Infektionsrisikos abgesagt wurden.

Die Inszenierung der Awards

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©Bild von analogicus/Pixabay auf Alterix

Favorit im spannenden Kampf um den wie ein Haustierfutter benannten Klotz mit Verzierungen ist das Werk „Intrige“ des fast französischen Regisseurs Roman Polanski, der zwar nicht eingeladen wurde, dafür aber seine Darsteller, die Kulissen und sein zweiter Kameramann. Es wäre ohnehin schwierig geworden, den seit 84 Jahren untergetauchten Halbpolen in die französische Hauptstadt zu schleusen, ohne dass er auf dem Weg verhaftet würde.
Um bei der Veranstaltung den Glamour vergangener Tage auszustrahlen, wurden auf der Leinwand bei der Abschlussveranstaltung alte Aufnahmen vom roten Teppich gezeigt, als keine Demonstranten das Blitzlichtgewitter störten, sondern der noch jugendlich frische Polanski an der Seite seiner ihn drei Köpfe überragenden weiblichen Begleitungen die Stufen zum Kino empor stieg.

Im Vorfeld war das gesamte Komitee und Präsidium zurückgetreten, um der Preisverleihung die ihr zustehende Dramatik zu geben. Angeblich ging es nicht um die Proteste gegen den wegen Vergewaltigung in 395 Fällen angeklagten nominierten Regisseur, mit dem er nur 922 Vorwürfe weniger als der 30 Jahre jüngere Harvey Weinsteen vorweisen kann, sondern um Transparenz der Geschäftsführung in der Académie des Arts de la Dramatique et Techniques du Cinéma.
Natürlich wurde darauf verwiesen, dass es sich keineswegs um einen Wettbewerb der Verfehlungen handele, denn schließlich war Weinsteen Produzent mit eigener Couch im Büro, während Polanski nur Regisseur ohne eigenen Stuhl neben der Kamera war. Und das alles war damals, in einem fernen Land, niemand hat es gesehen. Unbegreiflich, dass die Straße vor dem berühmten Théâtre impérial du Châtelet von Frauen mit Plakaten und Transparenten belagert wurde, um den armen Diamantkollierträgern den Zugang zu erschweren. Als hätte jemals der Protest gegen ein abgekartetes Spiel etwas verändert.

Die Jury hat entschieden

Als Begründung für die lange geheim gehaltene Entscheidung, welcher Film den César für die beste Regie erhält, gab die kurzfristig ernannte Laudatorin an, dass das Geschlecht der regieführenden Person keine Rolle gespielt habe (auf französisch hört sich geschlechtsneutrale Formulierung natürlich viel klangvoller an, als es auf deutsch zu lesen ist). Vielmehr sei das Lebenswerk und nicht die Spermienproduktion in die Urteilsfindung eingeflossen. Dabei erlaubte sich die akzentfrei sprechende Laudatorin einen Wortwitz mit dem Begriff Einfließen und Urteilsfindung in Anspielung auf den Vergewaltigungsprozess, der sich hingegen gar nicht übersetzen lässt.

Bei der Aftershowparty endlich kamen alle Lager zusammen, außer natürlich Männer, die wegen ihres aggressiv nach außen gerichteten zusätzlichen Organs zwischen ihren Beinen draußen bleiben mussten, sowie Rollstuhlfahrerinnen, die die Treppen zu dem 1862 erbauten Kinosaal nicht überwinden konnten. Am Ende lagen sich Lesben und Feministinnen gleichermaßen in den Armen uns sangen Lieder auf den kleinen Roman, der letztlich doch einen ganz besonderen Fleck in ihrem Herzen einnimmt, denn die eingetrockneten Beweismittel der Ejakulatsflecken werden in den USA benötigt, falls er jemals dorthin zurückkehrt.

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