Schottergärten sind Geschichte

Das Land Baden-Württemberg hat als erstes ein Gesetz erlassen, das es Grundeigentümern verbietet, die Gestaltung ihres Gartens selbstbestimmt vorzunehmen. Ein wichtiger Schritt in der Umsetzung der seit 1950 bestehenden Verordnung, dass Bebauung oder Bepflanzung grundsätzlich so zu erfolgen hat, wie es die momentan und jeweils vorherrschende Regierung für Privatgrundstücke gern hätte.
Nur eine Frage der Zeit, bis die anderen Bundes- und dann die EU-Länder nachziehen. Es wäre undenkbar, dass ein solch wichtiger Schritt für den Umweltschutz auf die lange Bank geschoben wird. Dem Vertreter der Imker und Garten-Landschaftsbauer geht dieser Schritt für das Fortschreiten des Artensterbens nicht weit genug. Immerhin beträgt die Fläche der Vorgärten im Privatbesitz fast 0,00538 % der ausgewiesenen Baugrundstücksfläche, hingegen nehmen industriell oder nicht genutzte und mit Beton zugeschüttete Flächen lediglich 22,78 % ein, für die das neue Gesetz nicht gilt. Parkplätze und Rangierflächen für umweltfreundliche LKW nicht mitgezählt.
Denn Industriebetriebe sind selbstverständlich nicht verpflichtet, ausgewiesene Grünflächen zu erhalten (vgl. Grünheide wird Graufabrik), da sie konsequenterweise in dem Land, in dem ihre Betriebsstätten stehen, auch keine Steuern zahlen.

Ist das denn überhaupt ein neues Gesetz?

Was heute als Neuigkeit verkauft wird, ist tatsächlich ein alter Hut. Die Landesbauordnung schreibt vor, dass unbebaute Flächen als Grünflächen anzulegen oder anderweitig zu begrünen sind. Die durch das Gesetz zurückgesetzte schotterproduzierende Industrie ist daher kurzerhand darauf umgeschwenkt, ihren Kies ab sofort nur grüngefärbt anzubieten. Wichtiger Aspekt dabei: die eingesetzte Lackierung muss natürlichen Ursprungs sein, also natürliche Grundelemente wie Blei oder natürlich vorkommende, faserförmige kristallisierte Silikat-Minerale (als Asbest bekannt) enthalten, damit niemand behaupten kann, die Bezeichnung ‚anderweitig zu begrünen‘ wäre zweckentfremdet ausgelegt worden.

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Dekorativ, aber schädlicher für die Umwelt als alle Autos, Häuser und Straßen zusammen

Innerhalb von zwei Wochen müssen also bestehende Schottergärten, die nicht pro Quadratmeter eine Pflanze von der Größe eines Quadratmeters aufweisen, entsprechend umgebaut werden. Ob findige Häuslebauer auf die Idee kommen, stattdessen bei Gewerbebetrieben abzuschauen und ihren teuer angelegten Vorgarten mit Betonplatten zuzupflastern, damit die Fläche als bebaut gilt und nicht mehr unter das Gesetz fällt, bleibt abzuwarten. Wenn der dann nicht mehr als solcher zu bezeichnende ‚Garten‘ nicht über die Bodenhöhe hinausragt, benötigt er trotz der ‚Bebauung‘ beispielsweise als Tretrollerparkplatz oder Ameisenwanderung-Teststrecke keine Baugenehmigung und alle sind zufrieden.

Wusstest du schon?

Begrünen oder bepflanzen?

Gesetze und Verordnungen in Deutschland sind schon eine komische Sache. Da wird jahrelang in Behörden um jedes Wort gefeilscht, und dann schafft es ein Bundesland, das zu den Gründungsmitgliedern der Republik gehört, in 70 Jahren nicht, eine korrekte Formulierung zu finden, damit die arroganten Hausbesitzer überhaupt einsichtig sind, warum der Bebauungsplan verbot, das Haus bis an die Straße zu bauen. Von Anfang an ging es darum, das sich Hausbauer die Pflege ihres kleinen Stücks Grund vor der Tür nicht sparen dürfen, um die Umwelt zu schützen. Die Landesregierungen tun wirklich alles, damit unsere Städte grün und für Insekten lebenswert werden. Wäre das Ganze in NRW passiert, gäbe es schon einen Strafenkatalog, wieviel ein Quadratmeter potentieller privater Grünfläche, auf der kein Insektennest ist, an Strafe kosten soll.

Schnell handeln, damit Großbritannien noch in den Genuss kommt

Kein anderes Thema erhitzt die Gemüter in den Brexit-Verhandlungen mehr (ja, wer hätte das gedacht, auch wenn der Brexit beschlossen ist, sind nun alle Regelungen der Handels-, Bau- und Personenbeziehungen zu klären und bis zum Ende des Jahres in Verträge zu fassen). Denn natürlich soll das, was so weise in Baden-Württemberg abgenickt wurde, als letzte mitzugebende Entscheidung auch für die störrischen Insulaner gelten, bevor sie nicht mehr der Beobachtung des Kontinents unterliegen. Gerade die Briten sind ja dafür bekannt, dass Grünflächen sorglos behandelt werden wie nirgends sonst auf der Welt.

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Kommentare

Kommentar von Walter |

Gärtnertipp: zwischen den Beton vor dem Haus Dahlien pflanzen. Die sehen hübsch aus, unterbrechen das Grau der Welt und bringen der Natur ebensoviel wie Pappkartons, weil keine Biene etwas mit den überzüchteten Blüten anfangen kann.

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