Socken für die Hände
Wer kennt das nicht. Die Socken sind gerutscht und verursachen das Gefühl um die Fesseln, dass daran etwas geändert werden muss. Also wird ein ruhiger Platz gesucht, an dem man seinen Oberkörper näher zu dem unteren Ende der Extremitäten positionieren kann, sprich: setzen.
Wenn das Hinunterbeugen noch ohne Geräusche aus dem gestauchten Brustkorb zu bewältigen ist, wäre das Gröbste ja schon vollbracht, aber dann kommt die unweigerliche Überlegung:
Wenn ich schon hier unten bin, was kann ich bei der Gelegenheit noch erledigen?
Also wird die Schnürung der Schuhe kontrolliert, am besten gleich noch mal neu gemacht, damit die vorbeilaufenden und schon irritiert schauenden Passanten nicht beginnen zu tuscheln. Das Neuausrichten des Hosensaums und kurzes Flusenabwischen am Schlag gehört natürlich auch dazu.
Einrosten wegen Collagenmangel
Biologisch gesehen wachsen Ohren, Nase und Füße ein Leben lang. Doch da die Füße im Verhältnis zur Körperhöhe stehen, reicht plötzlich wieder wie in jungen Jahren eine 41 1/2 statt 43. Und die Dame freut sich, weil aus der ungeliebten 40/41 wieder eine 39 geworden ist.
Die Kehrseite der Medaille am Umstand, dass der Flüssigkeitshaushalt und Collagenmangel uns schrumpfen lässt, ist dass die Schuhgröße-39-Trägerin die Haare nicht mehr aus Eitelkeit, sondern aus Scham färbt.
Zum Glück bewegt sich ein Großteil der Menschen aufgerichtet. Das erhebt ihn über die Tiere, die er sich untertan gemacht hat. Selbst andere Primaten, die zum aufrechten Gang fähig sind, nutzen ihn nicht, weil sie keine Lust auf die Rückenprobleme haben.
Es hatte schon absurde Auswüchse mit dem aufrechten Gang. Die freien Hände und den Fingern gegenüberliegende Daumen zum Halten von Gegenständen und Herstellen von Waffen haben die irre Angewohnheit ergeben, sich zur Begrüßung die Hand zu reichen, um zu zeigen, dass man nicht bewaffnet ist.
Das ist inzwischen gänzlich aus der Mode gekommen
Ein Befürworter der nicht-die-Hand-geben-These ist der Komiker Steve Martin. In ‚Der Mann mit den zwei Gehirnen‘ beschreibt er den Vorgang, dass ein befreundeter Arzt sein Gehirn auf einen Gorilla übertragen ließ. Als die Hauptfigur - gespielt von ihm selbst - dem Primaten erstmals begegnet und ihm zur Begrüßung die Hand geben will, schaut der Gorilla nach unten; Dr. Hfuhruhurr erkennt ihn daran und sagt: ‚er mochte Händeschütteln noch nie‘.
Auch in ‚Ticket für Zwei’ mit dem unvergessenen John Candy erleben die beiden Hauptfiguren in einer Szene die Schwierigkeiten des Händeschüttelns: An einem kalten Abend stranden die beiden nach einer Zugfahrt voller Hindernisse und hoffen auf die Hilfe eines einheimischen Landbewohners. Während die Figur John Candys ihm spontan mit angezogenen Fäustlingen die Hand gibt, zieht Steve Martin währenddessen höflich seinen Handschuh ab. Der Fremde spuckt aus und wischt sich mit der Hand den Mund ab, bevor er dem zweiten Mann diese Hand reicht.
Was den Ekel vor körperlicher Nähe angeht, sind die Nachfahren aus dem Neandertal nahe Düsseldorf im Land der Germanen, Alemannen und Teutonen weit vorn. Die Welt, die uns heute noch nach längst ausgestorbenen Völkern german, allemand, duits, tysk, الألمانية (älmeni), ドイツ (deutse jin) nennt, beneidet uns darum, dass wir so gern auf Handschlag verzichten. Dabei könnte man sich eigentlich mit Socken über den Händen ganz leicht schützen oder gleich auf Händen laufen. Dann kommt man nicht in die oben beschriebene Situation, dass einem die Socken rutschen und man - je nach Alter - nur schwierig rankommt.
Kommentare
Kommentar von Susanne M. |
Dank der Corona-Pandemie ist der Handschlag nun erst recht aus der Mode gekommen. An seine Stelle ist die Corona-Faust getreten, bei der sich lediglich die Fingerknöchel der Grüßenden kurz berühren. Mit dem Ekel vor körperlicher Nähe hat das meiner Meinung nach weniger zu tun als mit dem Wunsch, sich und andere vor dem leidigen Virus zu schützen.
Socken an den Händen sind doch eher unpraktisch, weil sie die Beweglichkeit der Finger noch mehr einschränken als Fäustlinge in der kalten Jahreszeit.
Quelle:
https://www.tagesspiegel.de/berlin/lieber-corona-faust-oder-yoga-gruss-als-handschlag--auch-im-mai-der-leichtigkeit-4334932.html
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