Tagesschau am Ende?

Der 29. Dezember 2020 wird noch Generationen von Televisionisten im Gedächtnis bleiben. Der Blockbuster des Infotainments, seit 750 Jahren im Voksmund liebevoll Tagesschau genannt, das erst vor wenigen Wochen dazu führte, dass auch die offizielle Bezeichnung so eingetragen wurde, erlebte ihre bisher schwerste Stunde - oder zumindest Viertelstunde.

Zu Anfang merkte der ordinäre Zuschauer noch nichts. Der Vorspann, jedesmal live im Studio mittels Hunderter Statisten in einer filigranen Choreographie dargeboten, bei der die einzelnen Kleindarsteller Tafeln in die Kamera halten und den Eindruck vermitteln, als handele es sich um eine computergenerierte Animation, lief fehlerfrei ab. Der Sprecher, dessen Name mir gerade entfallen ist, sagte noch freundlich die Uhrzeit (irgendwas mit siebzehn oder achtundsiebzig) und kündigte den ersten Beitrag an - der dann nicht kam.

Eine Stellungnahme des Senders war nicht zu erhalten.

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Zu viel Technik ist gar nicht gut - vor allem, wenn man sich damit nicht auskennt.

Journalisten auf der ganzen Welt sind auf Spekulationen angewiesen, warum zunächst der falsche Beitrag lief und dann der richtige ohne Ton.
Ob es an technischen Problemen oder unterbezahlten Praktikanten lag, die mit der viel zu modernen Ausstattung überfordert waren, lässt sich nicht beantworten. Aber man darf von einer ÖR-Anstalt, die gerade erst 68 Jahre zuvor den Sendebetrieb aufgenommen hat, nicht zu viel erwarten. Dieser neumodische Kram steckt noch in den Kinderschuhen.
Zu den Zeiten, als ominöse Schachteln mit Magnetbandaufzeichnungen in riesige Abspielgeräte eingelegt wurden, hätte es höchstens passieren können, dass jemand Selleriesaft darüber schüttet (wie aus dem Film Tootsie mit Dustin Hoffman und Jessica Lange bekannt), um sie unbrauchbar zu machen, aber das erklärt Verwechslungen und Tonausfall nicht. Vor Jahren regte sich die Nation auf, wie es passieren konnte, dass die Farben der deutschen Flagge vertauscht werden konnten, statt sie wenigstens kopfüber darzustellen, aber nun so etwas.

Sendung endgültig abgebrochen 

Die verzweifelten systemrelevanten Mitarbeiter hinter der Kamera waren so erschüttert, dass die gesamte Sendung abgebrochen wurde und der Sprecher, dessen Namen mir immer noch nicht eingefallen ist, auf die Nachrichtensendung um 20 Uhr verwies, die dann angeblich - so die Überlieferung, überprüft hat das niemand - tatsächlich ausgestrahlt wurde.

Leider werden wir nun nie erfahren, was in der werbefreien Zeit zwischen 17:02 und 17:13 beim norddeutschen Rundfunk in Kooperation mit den anderen Landesrundfunkanstalten, die nur lächerliche neun Milliarden Euro im Jahr zur Verfügung haben, um solche Eigenproduktionen ohne Produktplatzierungen oder Schleichwerbung anbieten zu können, an Information unter dem Volk verbreitet werden sollte.

Ob in der Welt zwischen 17:15 und 20:00 Uhr noch etwas passieren konnte und das von einer mutmaßlich tätigen Redaktion zu einem vorlesbaren Nachrichtentext und Bildmaterial hätte ausgearbeitet werden können, bleibt ebenso fraglich wie die grundlegende Ausrichtung einer werbefreien Nachrichtensendung. Denn zum einen ist nichts wichtiger als die Information, welche Firma die Kleidung des Moderatorenpersonals hergestellt und welcher Distributor diese ausgestattet haben, und zum anderen kann von dem heutigen Zuschauer nicht erwartet werden, über einen so langen Zeitraum aufmerksam zu bleiben.

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Ein Sendekonzept, das wir schon lange vermissen: Testbild

Das Konzept anpassen

Daher ist in Planung, ab sofort - vorläufig beschränkt auf die innovativen öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten - in jeder Stunde mindestens einmal für 15 Minuten eine Einblendung ‚Störung‘ oder ähnlich kreative Wörter oder Sätze auszustrahlen statt vermeintlich bewegter Bilder (das ist nur eine Illusion, die durch die Trägheit des menschlichen Auges entsteht). So wie bei einer zu kurz geratenen Sendung mit dem unvergessenen Hans-Joachim Kuhlenkampff: der ausstrahlende hessische Rundfunk erwarte wie sonst eine Überziehung und brachte dann - statt zum Beispiel die entzückenden Katzenbabies, die in einer kastenartigen Nachbildung des Senderlogos tollen - ein Testbild. Genial.

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Kommentare

Kommentar von Günther |

Ja, ich erinnere mich auch an die peinliche Geschichte, als Kuli ein einziges Mal zu früh fertig wurde - und das, wo die Katzenbabies soooo süß sind. Die könnten eigentlich ne eigene Sendung bekommen, oder besser noch: einen eigenen Sender.

Kommentar von Claus |

@Günther:

Tatsächlich gibt es so einen Sender - allerdings nur online. Ist ein Streamingdienst, der kostenlos ist (mit lächerlich wenig Werbung finanziert wird) und nennt sich pluto.tv (unter liveTV Comedy 'cats 24/7')

Antwort von Content Manager

Eigentlich wollen wir keine solche Werbung - aber uns Zensur vorwerfen lassen natürlich auch nicht ...

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