Veganuary 2020
Was 2014 als Social-Media-Kampagne im vereinigten Königreich begann, um normalen Karnivoren per Mail Tipps zu geben, wie sie ihre Ernährung nicht nur fleischlos, sondern auch ohne andere tierische Produkte gestalten können, ist über den Ärmelkanal bis an die europäische Küste geschwappt. Und um das Konsumloch zu stopfen, das nach dem fetten Monat Dezember aufgerissen ist, springt auch der Einzelhandel auf die flache Welle auf und bietet vermehrt vegane Produkte in seinen Regalen an.
Social Media Scouts der Supermärkte
Dabei verwundert es, dass nicht etwa Demeterhöfe, Biomärkte und Reformhäuser den Zugang zum Hashtag Veganuary entdeckt haben, sondern Discounter und Supermärkte auf das Gesundheitsbewusstsein abfahren und glauben, ihre Kunden damit in die Läden zu locken. Vermutlich ist die moderne Technik den Betreibern von Vorzeigegelebensmittelmärkten zu suspekt, um solche Trends mitzubekommen. Zu dumm, dass die Organisation ‚non profit‘ ausgerichtet ist und keine Kaufempfehlungen gibt, aber wenn die Marketingstrategen es geschickt genug anstellen, werden die gewöhnlichen Konsumenten den Unterschied zwischen Werbung und Hilfestellung beim Abnehmen, Ernährungsoptimierung oder Wohlbefinden nicht wahrnehmen.
Der Geschmack entscheidet
Es steht jedem Engagierten frei, ob er sich an die Ernährungstipps hält, und die Ausrichtung als Wettbewerb, wer es besser, konsequenter und erfolgreicher macht, ergibt ungefähr soviel Sinn wie der Vertrieb von Wurst und Schnitzeln auf Sojabasis, in denen mehr Aromen enthalten sind als in E-Zigaretten, damit das Zeug nach Fleisch schmeckt - auch E-Zigaretten gibt es schließlich in den Geschmacksrichtungen Gummibärchen, Fußnägel, Schokoladeneis und Jägerschnitzel. Zu schade, dass die kindgerechten Versionen des Tabakersatzes verboten werden sollen, wohingegen die Form-, Farb-, und Geschmacksvarianten der Tofuprodukte weiterhin frei an Minderjährige verkauft werden dürfen.
Weitreichende Erfolge der Teilzeitveganer
Doch natürlich weiß der wohlinformierte Veganuary-Teilnehmer, dass es um mehr Gemüse und Obst geht, das wir den pflanzenfressenden Nutztieren wegessen, damit sie nicht gemästet und geschlachtet werden, und leisten nicht nur einen Beitrag für das hungernde Tierwohl, sondern auch für den Klimaschutz. Denn fressen die ungeschlachteten Steaks auf der Weide weniger Gras, geben sie auch weniger Verdauungsgase ab, die maßgeblich für die Erderwärmung verantwortlich sind. So sinkt durch den Verzicht von europaweit 350.000 Menschen auf Fleisch, Eier, Käse, Honig und Gummibären allein im Monat Januar der Wasserverbrauch und der CO2-Ausstoß für das ganze Jahr um 60%. Würde man die Aktion auf das ganze Jahr ausweiten, wären im Juni 2021 schon die Klimaziele für 2030 rückwirkend bis 1980 erreicht.
Lange Tradition - neu entdeckt
Der politische Effekt, dass sich Prominente, von denen man sonst nichts hören würde, der Aktion anschließen, ist ebenso bedeutsam. Allein in Deutschland bekennen sich beinahe fünf (5) B- bis C-Promis dazu, von dem 13. Monat Veganuar gehört zu haben und fragten, ob diese Maßnahme zufällig oder absichtlich mitten in der Karnevals- bzw. Fastenzeit liegt, in der - gute Christen werden es wissen - ohnehin auf Fleisch verzichtet werden soll, schließlich bedeutet das Wort Karne-val(e) ‚Fleisch adé‘ und ist seit dem 13. Jahrhundert urkundlich belegt. Bereits im Mittelalter kamen die Menschen auf die Idee, da im Winter ohnehin Nahrung knapp war, auf ausschweifende Fressorgien zu verzichten. Dass es heute in diesem Kulturkreis keinen essenziellen Grund gibt, bescheiden zu leben, macht es umso leichter, für das gute Gewissen einen Monat so zu tun, als würde man mit einer gesunden Lebensweise konform gehen.
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