Wenn Sensationsreporter seriös berichten wollen
Was früher noch kopfschüttelnd hingenommen und nicht weiter beachtet wurde, gerät heute zur medienweiten Diskussion. Dabei gäbe es wirklich Wichtigeres, als die Entgleisungen der eigenen Branche anzuprangern. Denn niemand will wissen, dass eine mutmaßlich von Fledermäusen auf den Menschen übertragene Viruserkrankung der Lunge keine Bedrohung der Menschheit ist. Man müsste den Bogen spannen vom Satz eines Louis, Lance oder Neill Armstrong, was überhaupt Menschheit auf dem Mond ist, über Goethe, der sagte, dass es keine Menschheit gibt, sondern nur Menschen, bis zur Frage, was der Mensch auf dem Mond überhaupt zu suchen hat und ob er jemals da gewesen ist.
Ist ein Virus eine Verschwörung oder eher zu äußern, dass seine Existenz bestritten wird?
Historisch betrachtet ist jedwede Erkrankung bei der heutigen Forschungsentwicklung ein Witz. Täglich sterben mehr Menschen an Hunger - aber das betrifft ja nur arme Länder; täglich sterben mehr Menschen an den Folgen einer HIV-Infektion - aber das interessiert doch heute keinen mehr; täglich sterben mehr Menschen an den toxischen Auswirkungen von Rauchinhalation - aber wer wollte das Rauchen deswegen verbieten? Wer hat Angst, dass ein Medienhype entstanden ist, der sich - lustigerweise - weitreichender ausgebreitet hat als sein Inhalt? Als das erste Coronavirus dieser Art 2003 auftauchte, waren Smartphones, Fakenews und alternative Fakten proportional genauso verbreitet. Niemand wäre auf die Idee gekommen, deshalb bei der ganzen Weltwirtschaft die Notbremse zu ziehen. Heute gilt die akustische Meinungsäußerung bereits als strafwürdiger Angriff und ist potentiell politisch inkorrekt. Im Gegensatz zu Social Media, wo nichts hinterfragt und alles weiterverteilt wird.
Früher verbreiteten sich Nachrichten mündlich. Das ist heute gesundheitsgefährdend, sofern der Sprecher selbst atmet. Nicht einmal ein Gesicht ist erforderlich, um Seriosität auszustrahlen und Zuhören an sich bereits eine Herausforderung, der Smartphonebenutzer nicht mehr gewachsen sind (vgl. Telefonphobie).
Es genügt, dass ein möglichst bebilderter kurzer Text, der keinesfalls gescrollt werden darf, weil das zu viel Aktivität und Unterbrechung der Aufmerksamkeit des Lesers erfordert (bereits die Überlegung, bei Tinder nach rechts oder links zu wischen, führt an die Grenze der Entscheidungsfähigkeit), auf dem Display des eigenen Smartphones erscheint, um glaubhaft zu sein. Denn wie sollten Fehlinformationen auf dem Gerät angezeigt werden, das der durchschnittliche Abiturient niemals außerhalb der Reichweite seiner Hand ablegt?
Abitur und Bildung - passt das heute noch zusammen?
So wie tropische Trockenheit ein Widerspruch ist, scheint auch Bildung und Schule - also Schulbildung - nicht mehr das zu sein, was es sollte: die Fähigkeit, sich Wissen eigeninitiiert auf die Weise anzueignen, aus verschiedenen Quellen zu abstrahieren, um eigene Meinungen entwickeln zu können. Der nächste Schritt wäre bereits Wissenschaft, nämlich diese Thesen zu erforschen, um sie zu belegen oder zu widerlegen. Das erwarten die Konsumenten bei ‚Nachrichten‘ von den Journalisten bereits geleistet zu haben; doch wie soll das möglich sein, wenn im Zwei-Minuten-Takt neue ‚Fakten‘ vorliegen müssen? Da bleibt nur, darauf zurückzugreifen, was Baron von Münchhausen schon als Lösung gefunden hat; dem Duktus der Zuhörerschaft zu entsprechen und das zu liefern, was sie erwarten: Schlagwörter mit populistischen Spitzen, die wahr sein könnten. Es ist längst nicht mehr die Perversion, ob der Anschlag auf die Türme des World-Trade-Center ein geplanter Schnellabriss wegen des asbesthaltigen Brandschutzes der Gebäude war, sondern dass wir uns vorstellen können, dass es so gewesen sein könnte.
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