Energieeffizient und CO2-neutral: Wie bauen wir in Zukunft?
Während alle Welt von Klimaschutz durch Elektroautosspricht, wird die Baubranche als „Klimakiller“ nur selten thematisiert. Wahrscheinlich sind dir ein paar Aspekte ökologisch nachhaltiger Gebäude bewusst, wie zum Beispiel eine gute Isolierung, ein intelligentes Energiemanagement und Sonnenkollektoren zur Warmwasseraufbereitung. Doch ist über die Hälfte der Gesamtenergie, die jemals für ein Haus aufgebracht werden muss, bereits im Moment der Fertigstellung verbraucht. Darum lenken wir deine Aufmerksamkeit in diesem Artikel auf die weniger geläufigen Aspekte ökologisch nachhaltiger Gebäude, zum Beispiel die richtige Materialwahl.
Inhaltsverzeichnis
Probleme des konventionellen Bauens – Warum muss sich etwas ändern?
Um es auf einen Punkt zu bringen: Die aktuelle Art zu bauen, funktioniert nicht mehr lange. Warum dem so ist, veranschaulichen folgende Fakten:
- In Deutschland werden 90 % der gesamten inländischen Entnahmen an mineralischen Rohstoffen im Bausektor verwendet. Das entspricht etwa 517 Millionen Tonnen jährlich.
- Jedes Jahr werden hierzulande 5,5 Millionen Tonnen Baustahl und 26,6 Millionen Tonnen Zement verbaut. Beides ist in der Herstellung äußerst energieintensiv und emissionsreich. Rund 8 % des CO2-Ausstoßes weltweit gehen beispielsweise auf die Herstellung von Zement zurück.
- Aus der Bauindustrie stammt mehr als die Hälfte unseres Abfalls: 209 Millionen Tonnen Abbruchabfälle gilt es jährlich zu entsorgen.
- In Industrieländern verbraucht der Betrieb von Gebäuden zwischen 30 und 40 % der gesamten nationalen Energie.
Du siehst, dass der Bausektor im Moment sehr ressourcenintensiv ist. Die aktuelle Art bei uns zu bauen, ist meist wenig nachhaltig. Alleine die entstehenden Emissionen übersteigen um ein Vielfaches das Höchstmaß, mit dem das Pariser Klimaabkommen noch einzuhalten wäre. So wie die meisten Baustellen im Moment aussehen, ist anstelle von maximal 2 °C eine Erderwärmung von 6 bis 8 °C eher wahrscheinlich.
Hinzu kommt, dass manche Ressourcen schlichtweg begrenzt sind. So ist Sand aktuell schon auf dem Weltmarkt knapp und in Deutschland fehlt es zusätzlich an Kies. Bei Materialien auf der Basis von Mineralöl wird es sich in Zukunft ähnlich verhalten, wobei diese auch aus Gründen einer umweltfreundlichen Entsorgung möglichst bald keine Verwendung mehr finden sollten.
Die gute Nachricht ist: Immer mehr Menschen möchten sich in nachhaltigen Gebäuden aufhalten. Ein gesundes Raumklima durch natürliche Materialien ist es ihnen wert, mehr in den Bau zu investieren. Letztlich können sich die Baukosten durch geringere Betriebskosten durchaus auch amortisieren.
Die Idee ökologisch nachhaltigen Bauens
Ehe wir auf die Prinzipien nachhaltigen Bauens zu sprechen kommen, möchten wir kurz festhalten: In den allermeisten Fällen ist eine Sanierung sinnvoller als ein Neubau. Da ein Großteil des Materials, der Emissionen und der Energie beim Bau anfallen, ist die Weiternutzung bereits bestehender Immobilien das Gebot der Stunde. So entfällt auch die Erschließung einer neuen Fläche und damit die Versiegelung eines Stücks Natur. In manchen Fällen gibt es allerdings keine andere Möglichkeit, als neu zu bauen. Dann gilt es der Nachhaltigkeit zuliebe folgende Kriterien zu beachten:
- Ressourcenverbrauch minimieren
- Flächenverbrauch minimieren
- geringstmögliche Belastung der Umwelt bei Bau, Nutzung und Rückbau anstreben
- angenehme Wohnatmosphäre und ansprechendes Design nicht vernachlässigen
Auch wenn diese Punkte einfach anzusprechen sind, ist ihre Umsetzung bei der Planung neuer Gebäude doch immer noch problembehaftet. Das mag einerseits an den gewohnten Denkmustern von Architekten und Bauherren liegen. Andererseits machen die strengen deutschen Sicherheitsvorschriften sowie die allgegenwärtigen DIN-Normen die Etablierung innovativer Materialien und nachhaltiger Designs kompliziert.
In puncto Ressourcenverbrauch hat sich eine Idee bereits etabliert: die Energieeffizienz. Hier reichen die Ideen von ausgeklügelter Wärmedämmung bis hin zur Selbstversorgung mit Strom und Warmwasser durch Sonnenenergie. In diesem Zusammenhang übersehen die Leute leider viel zu leicht, dass hoch entwickelte Technologien bei ihrer Herstellung enorme Ressourcen verbrauchen. Hier müssen Bauherren künftig auf streng durchdachte Lösungen setzen, die die Energieeffizienz einer Immobilie mit dem Verbrauch von Energie beim Bau ins Verhältnis setzt. Hinzu kommt ein intelligenter Umgang mit Baumaterial, das einerseits möglichst aus Recycling stammen sollte und andererseits selbst später umweltfreundlich zu entsorgen bzw. wiederzuverwenden sein muss.
Letzten Endes muss der Aspekt der Nachhaltigkeit im gesamten Bauwesen Beachtung finden. Alleine den Hochbau ökologisch zu gestalten, reicht nicht aus. An dieser Stelle kommen die Städteplaner ins Spiel, die sich um die Entwicklung einer angemessenen Infrastruktur kümmern. Beispielprojekte wie die Lokstadt in Winterthur oder Le Central in Düsseldorf zeigen anschaulich, wie die Gestaltung des gesamten Lebensraums umweltfreundliches Verhalten bei den Bewohnern fördert. Hier ist insbesondere die Anordnung von Wohn-, Arbeits- und Freizeitraum, die Erreichbarkeit von Einkaufsmärkten sowie die Gestaltung der Wege zu beachten. Wenn alle Notwendigkeiten des Alltags in der Nähe der Wohnung liegen, wird ein Auto überflüssig. Bevorzugt Geh- und Radwege anzulegen anstelle von Autostraßen sowie der Ausbau des ÖPNV tun ihr Übriges.
Für ökologisch nachhaltiges Bauen gibt es eigene Zertifizierungssysteme. In Deutschland kommt unter anderem das aus den USA stammende LEED (Leadership in Energy and Environmental Design) zur Anwendung. Um den Grad der Nachhaltigkeit zu bestimmen, vergibt das LEED Punkte - unter anderem für Standort, Materialien, Innenraumqualität und Innovation. Alternativ dazu existiert in Deutschland zum Beispiel das Deutsche Gütesiegel Nachhaltiges Bauen. Die Vorteile einer Zertifizierung bestehen in günstigeren Krediten und entsprechenden Förderungen zum Beispiel durch die KfW (Kreditanstalt für Wiederaufbau).
Technologien und Materialien der Zukunft
Welches Material sich konkret zum nachhaltigen Bauen eignet, lässt sich pauschal kaum sagen. Zum einen spielt nämlich der Aspekt der Regionalität eine große Rolle. Je kürzer die Transportwege sind, umso ökologischer sind die entsprechenden Rohstoffe. Andererseits entwickelt die Forschung laufend neue Technologien und Verarbeitungsmöglichkeiten für Rohstoffe, die den ökologischen Fußabdruck eines Neubaus verringern. Wir können dir an dieser Stelle also lediglich ein paar Beispiele für zukunftsfähige Ressourcen auf deutschen Baustellen anbieten:
Rückkehr zu traditionellen Baustoffen
Früher nutzten die Menschen zwangsläufig die Dinge als Baumaterial, die sich in unmittelbarer Umgebung der Baustelle befanden. Das waren in Deutschland beispielsweise Holz, Stroh, Lehm oder Natursteine. Daraus erwuchsen durchaus passable Behausungen, die eine hohe Halbwertszeit erreichten, wie so manches Fachwerkhaus heute noch anschaulich zeigt. Wichtig ist neben dem Aspekt der Regionalität, dass der Rohstoff ohne Umweltschäden gewonnen und möglichst naturbelassen verbaut wird. Im Fall von Holz bedeutet dies, dass es aus nachhaltiger Forstwirtschaft stammen muss und keine Behandlung mit Chemikalien erfahren darf.
Technik für die Zukunft
Bislang ging der Trend in die Richtung, immer kompliziertere Verbundstoffe zu erfinden, die für ideale Bedingungen im fertigen Haus sorgen. Hierzu gehören zum Beispiel sogenannte Phasenwechselmaterialien für die Isolierung. Sie alternieren zwischen festem und flüssigem Zustand und können so überschüssige Wärme absorbieren bzw. sie wieder abgeben. Das Problem bei solchen Materialien ist neben einer energieaufwendigen Herstellung die spätere Entsorgung. Ein fester Verbund verschiedener Rohstoffe ist in der Regel ein Fall für den Sondermüll. Daher muss im Rahmen von ökologischer Nachhaltigkeit der Fokus auf Verbindungen aus ausschließlich biologisch abbaubaren Verbundstoffen gerichtet sein. So bieten sich neben Holz zum Beispiel auch Mineralien, Kalzium oder Hanf-Faser als Ausgangsstoff an. All diese Rohstoffe sind stabil, flexibel, langlebig und einfach zu verarbeiten.
Grünes Smart-Home
Ein Ideal am Himmel der Nachhaltigkeit ist das autarke Haus. Das bedeutet, dass es auf keinerlei Energie von außen angewiesen ist, sondern sich selbst versorgen kann. Seinen Strom stellt es selbst aus Sonne, Wind, Erdwärme oder was auch immer vor Ort verfügbar ist, her. Um mit möglichst wenig Energie auszukommen, müssen die Green Buildings der Zukunft smart sein. Hochentwickelte Technologie steuert das Haus so energieeffizient wie möglich, während es alle Bedürfnisse der Bewohner berücksichtigt. Die Vollendung dieser Idee sind wohl die sogenannten „Eartships“. Sie sind nicht nur energetisch unabhängig, sondern verfügen zugleich über einen eigenen, geschlossenen Wasserkreislauf.
Fazit
Die aktuell übliche Weise, Häuser zu bauen, belastet Klima und Umwelt. Der Bedarf an Rohstoffen ist enorm. Zudem sind der Energieverbrauch und der Emissionsausstoß derart hoch, dass ein Klimaziel, wie es im Pariser Abkommen steht, kaum erreichbar ist. Beim ökologisch nachhaltigen Bauen kommen vorwiegend regionale Rohstoffe zum Einsatz, die nachhaltig gewonnen werden. Sie müssen leicht zu recyceln oder biologisch abbaubar sein wie zum Beispiel Holz. Das nachhaltige Haus an sich ist energieeffizient, bestenfalls sogar autark. Neben dem Hochbau ist außerdem die ökologisch sinnvolle Gestaltung von Ortschaften bzw. Stadtvierteln ein zentraler Aspekt in puncto Zukunftsfähigkeit. Umweltfreundlichkeit und Lebensqualität sollten hier einen hohen Stellenwert haben.
Quellen
https://buildingradar.com/de/construction-blog/nachhaltiges-bauen/
https://de.wikipedia.org/wiki/Leadership_in_Energy_and_Environmental_Design
https://www.ressource-deutschland.de/themen/bauwesen/
Nachhaltig bauen. H. Wallbaum, S. Kytzia, S. Kellenberger. Vdf Hochschulverlag AG
https://youtu.be/Nuqi1toLNis
https://youtu.be/y4zLuoPpMLc
https://www.ressource-deutschland.de/themen/bauwesen/
https://utopia.de/ratgeber/nachhaltiges-bauen-worauf-es-dabei-ankommt/
Kommentar von Hubert AK |
Ein wirklich gut gemachter Artikel!
Weiter so.
Antwort von Andreas S [admin]
Besten Dank. Ich geb das Lob an unsere Autorin weiter ;-)
Kommentar von Susanne M. |
Die Idee, ehemalige Industrieflächen in Wohngebiete umzuwandeln wie bei Le Quartier Central in Düsseldorf und der Lokstadt in Winterthur, finde ich genial. So werden Wohnraum für Tausende von Menschen und Platz für die Ansiedlung von Firmen geschaffen, ohne dass noch mehr Wälder abgeholzt oder Grünflächen versiegelt werden müssen, als das eh schon der Fall ist.
Was die Energie-Effizienz von Neu- oder Umbauten betrifft, da gibt es heutzutage diverse Vorschriften, deren Einhaltung staatlich gefördert wird, z. B. durch das BAFA (BEG-Förderung) und die KfW (diverse Zuschüsse und Kredite).
Wie schädlich die derzeit übliche Bauweise für Umwelt und Klima ist, war mir bisher gar nicht bewusst. Schade, dass in einer Zeit, in der die Ressourcen allmählich knapp werden, nicht viel mehr alternative Baumaterialien, wie Kork, Zellulose oder Wiesengras, zum Einsatz kommen.
Quellen:
https://www.co2online.de/foerdermittel/bafa-foerderung/
https://www.kfw.de/inlandsfoerderung/Privatpersonen/Neubau/F%C3%B6rderprodukte/F%C3%B6rderprodukte-PB-Neubau.html
https://www.energie-tipp.de/sparen/bauen-sanieren/natuerlich-wirds-warm/
Kommentar von Veronika J. |
Mich hat der Begriff des „Earthships“, der am Ende Ihres interessanten Artikels erwähnt wird, neugierig gemacht. Deshalb habe ich recherchiert, aber irgendwie passt das, was ich bisher gelesen habe, nicht so ganz zu der Beschreibung in Ihrem Artikel. Denn diese Art von Bauweise nutzt sogar Zivilisationsabfälle wie Autoreifen als Baumaterial. Und auch ihre Systeme hinsichtlich Wasser und Elektrizität sind meist zwar sehr ausgeklügelt, aber keineswegs hochentwickelte smarte Techniken. Denn dieser Begriff impliziert für mich meist enorme Kosten in der Herstellung und auch in der Anschaffung, oder liege ich da falsch? Auch stelle ich mir die Umstellung vom Leben in einem Green Home mit smartem und mobil gesteuertem System auf ein Leben in einem in sich autarken Earthship schon schwierig vor, da sich dort das Leben der Umwelt anpasst und nicht direkt den Bedürfnissen des Bewohners, oder?
Quellen: https://www.earthshipglobal.com/ http://earthship.schloss-tempelhof.de/
https://alterix.com/de/wohnen/haus-und-garten/nachhaltiges-bauen.html
Kommentar von Susanne M. |
Auch ich finde diese "Earthships" faszinierend. Häuser, die teils aus natürlichen Materialien wie Erde und Lehm und teils aus recycelten Produkten wie alten Autoreifen und Glasflaschen bestehen und aufgrund dessen weder Heizung noch Klimaanlage benötigen – nachhaltiger bauen kann man doch kaum. Hinzu kommen die Gewinnung von Regenwasser als Brauchwasser, dessen mehrfache Verwendung sowie der Anbau von Pflanzen im Haus. Auch seinen Strom erzeugt das Haus selbst mittels Solarenergie.
Das Gesamtpaket entspricht zwar nicht unserer Vorstellung von einem Smart-Home, ist aber immerhin so autark wie nur möglich.
Quellen:
https://www.spiegel.de/deinspiegel/earthship-projekt-in-tempelhof-ein-haus-alten-reifen-dosen-und-flaschen-a-00000000-0002-0001-0000-000174677063
https://tipp-zum-bau.de/earthship-komplett-nachhaltig-wohnen/