Ergotherapie: Den Alltag trotz Krankheit meistern

Ergotherapeuten unterstützen und fördern Menschen jeden Alters, die in ihrer körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit eingeschränkt sind. Dazu gehört etwa das Trainieren der Feinmotorik nach einem Schlaganfall. Für jeden Patienten werden individuelle Strategien erarbeitet, wie er seinen Alltag möglichst beschwerdefrei und selbstbestimmt gestalten kann. Dafür stehen dem Ergotherapeuten verschiedene Therapiemöglichkeiten zur Verfügung.

So entstand die Ergotherapie

Der deutscher Psychiater Hermann Simon entwickelte in den 20er-Jahren die sogenannte „systematische Arbeitstherapie“ für psychisch kranke Menschen. Dabei handelte es sich um eine arbeitsähnliche Tätigkeit unter therapeutischen Gesichtspunkten. Als während des Zweiten Weltkriegs viele Kriegsverletzte gezielte Rehabilitationsmaßnahmen benötigten, wurden Kurzlehrgänge zur Ausbildung von „Beschäftigungstherapeuten“ angeboten. Eine Kombination aus beiden Modellen entstand. 1999 trat ein neues Gesetz in Kraft, das die bis dahin offizielle Bezeichnung "Beschäftigungs- und Arbeitstherapeut" ablöste und die neue Berufsbezeichnung „Ergotherapeut“ hervorbrachte. Die Therapeuten arbeiten auf der Basis wissenschaftlicher Grundlagen und einer fundierten mehrjährigen Ausbildung und/oder eines Studiums.

Was ist das Ziel der Ergotherapie?

Die Ergotherapie hilft Menschen, die in ihrer Handlungsfähigkeit eingeschränkt oder von Einschränkung bedroht sind. So gehören unter anderem Rheumakranke, Demenzkranke oder motorisch schwache Kinder zur Zielgruppe der Ergotherapie. Ebenso können Unfälle dazu führen, dass alltägliche Fähigkeiten verloren gehen. Und auch psychische Erkrankungen schränken das Leben und die Handlungsfähigkeit vieler Betroffenen erheblich ein.

Die Ergotherapie soll die Selbständigkeit der Patienten in den Bereichen Selbstversorgung, Arbeit und Freizeit stärken und dadurch mehr gesellschaftliche Teilhabe und eine Verbesserung der Lebensqualität ermöglichen. Dazu stehen dem Therapeuten verschiedene Behandlungstechniken und Arbeitsgeräte zur Verfügung. Mit Bewegungstherapie sowie künstlerischen und handwerklichen Aktivitäten wird der Patienten individuell gefördert.

Wie läuft eine Ergotherapie ab?

Am Beginn der Ergotherapie muss eine Diagnose gestellt werden. Im Vorgespräch befragt der Ergotherapeut mithilfe von Fragebögen den Patienten zu den vorhandenen Einschränkungen. Wenn nötig, führt er eine körperliche Untersuchung und verschiedene Tests durch. Es soll genau festgestellt werden, welche Einschränkungen behandelt und welche Fertigkeiten verbessert werden müssen. Anschließend wird ein Therapieplan aufgestellt und ein Behandlungsziel festgelegt. Im Vorgespräch wird auch der Grundstein für das Vertrauensverhältnis zwischen Patient und Ergotherapeut gelegt.

Die anschließende Therapie passt sich den persönlichen Bedürfnissen des Patienten an. Je nach Krankheitsbild kommen verschiedene Maßnahmen in Betracht. Häufig besteht die Behandlung aus einer Mischung von mehreren Komponenten. Die Behandlung kann in Gruppen- oder Einzeltherapie durchgeführt werden. Eine Gruppentherapie eignet sich besonders, wenn kommunikative und soziale Fähigkeiten trainiert werden sollen.

Tip

Auf der Internetseite des Deutschen Verbandes der Ergotherapeuten e. V. (DVE) kannst du dich nach einer Praxis in deiner Nähe erkundigen . Teilweise sind auf den Seiten auch die Behandlungsschwerpunkte angegeben.

Die Behandlungsmethoden im Überblick

Bezeichnung Anwendungsgebiet Methoden (Beispiele)
Motorisch-funktionelle Behandlung Krankheitsbedingte Motorikstörungen und daraus resultierende Fähigkeitsstörungen Koordinationstraining, Sensibilitätstraining, Handtherapie, Gelenkmobilisation, Training der Feinmotorik
Sensomotorisch-perzeptive Behandlung Beeinträchtigungen in der Körperwahrnehmung und Motorik Sensorische Integrationstherapie, Wahrnehmungsförderung, handwerkliche oder spielerische Techniken, Mund- und Esstherapie, Selbsthilfetraining
Psychisch-funktionelle Behandlung Beeinträchtigungen der psychosozialen und sozioemotionalen Funktionen Kognitives Training, Verbesserung der Körper- und Selbstwahrnehmung, Bewältigungsstrategien, Kommunikationstraining, handwerkliche oder gestalterische Tätigkeiten
Neuropsychologische Behandlung Krankheitsbedingte Beeinträchtigungen der kognitiven Fähigkeiten Hirnleistungstraining am PC, kognitive Übungen, Training von Gedächtnisleistung, Reaktionsvermögen, Konzentration und Aufmerksamkeit

Die unterschiedlichen Therapieansätze der Ergotherapie

Bei der kompetenzzentrierten Therapie geht es hauptsächlich darum, motorische Fähigkeiten zu erwerben, zu erhalten oder zu trainieren. Dabei kommen praktische Übungen, Spiele und handwerkliche Tätigkeiten wie Sägen, Tonen oder Knüpfen zum Einsatz. Diese Maßnahmen fördern unter anderem die Koordinationsfähigkeit, die Muskelkraft und die Ausdauer. Das Ziel ist die Befähigung des Patienten, trotz körperlicher Einschränkung alltägliche Dinge eigenständig zu erledigen.

Die ausdruckszentrierte Therapie kommt bei emotionalen Problemen und Störungen im Sozialverhalten zum Einsatz. In einer Gruppentherapie sollen sich die Betroffenen öffnen und austauschen. Dadurch soll die soziale Interaktion gefördert werden und die Betroffenen lernen, mit ihren Gefühlen und denen der anderen umzugehen. Es werden alltägliche Situationen durchgespielt und gemeinsam mit dem Ergotherapeuten Lösungen erarbeitet. Bei der ausdruckszentrierten Methode kommen auch Beschäftigungen wie Malen, Musizieren, Singen, Basteln oder Werken zum Einsatz. Dabei werden die persönlichen Neigungen des Patienten berücksichtigt. Der Patient soll die Möglichkeit bekommen, nach seinen eigenen Vorstellungen und Ideen gestalterisch tätig zu werden.

Ergotherapie bei Einschränkungen des Bewegungsapparates

Die Ergotherapie arbeitet mit Menschen, die Einschränkungen bei der Beweglichkeit des Stütz- und Bewegungsapparats haben (etwa Rheumakranke). Mit gezielten Maßnahmen versucht der Therapeut, die körperliche Leistungsfähigkeit der Betroffenen zu verbessern. Bei Patienten, die durch Krankheit oder Unfall Extremitäten verloren haben, soll eine Kompensation der weggefallenen Fähigkeiten erreicht werden. Beweglichkeit, Geschicklichkeit, Sinneswahrnehmung und Koordination werden trainiert. Es wird ein neues Bewegungsverhalten erlernt, ohne eine Fehlbelastung in anderen Bereichen zu entwickeln. Auch der richtige Umgang mit Hilfsmitteln wird eingeübt (zum Beispiel Rollstuhl, Schienen oder Prothesen). Zudem gibt der Ergotherapeut Anregungen, wie die persönliche Umgebung des Patienten an seine Bedürfnisse angepasst werden kann.

Ergotherapie in der Neurologie

Erkrankungen des zentralen Nervensystems, etwa Parkinson, Demenz oder Multiple Sklerose, haben häufig körperliche oder geistige Einschränkungen zur Folge. Der Ergotherapeut versucht, krankhafte Haltungsmuster abzustellen, ein gesundes Bewegungsverhalten einzuüben und verloren gegangene Fähigkeiten wiederherzustellen. Außerdem zeigt er dem Patienten Möglichkeiten auf, wie er Lähmungserscheinungen, Bewegungseinschränkungen oder Kraftdefizite im Alltag ausgleichen kann.

Ergotherapie bei psychischen Erkrankungen

Die Ergotherapie kann Patienten jeden Alters mit psychischen, neurotischen oder psychosomatischen Störungen helfen. Dazu gehören beispielsweise Depressionen, Ängste, Zwangsstörungen oder Schizophrenie. Aber auch in der Rehabilitation von Suchterkrankungen (Alkohol, Drogen, Medikamente) kann die Ergotherapie zum Einsatz kommen. Bei akuten Erkrankungen finden die therapeutischen Maßnahmen stationär im Krankenhaus statt, später können sie teilstationär in Tageskliniken oder in ambulanten Einrichtungen fortgeführt werden.

Ergotherapie bei älteren Menschen (Geriatrie)

Auch die präventive, kurative und rehabilitative Behandlung älterer Menschen gehört zum Aufgabengebiet der Ergotherapie. Mit einer Kombination von verschiedenen Behandlungsansätzen (motorisch und kognitiv) kann sie die Folgen von Grunderkrankungen minimieren, zu einer verbesserten Gedächtnisleistung beitragen und die Selbständigkeit erhöhen. Schmerzpatienten lernen in der Therapie, wie sie sich schonend und schmerzarm bewegen können. Bei Demenzkranken wird versucht, den geistigen und körperlichen Abbauprozess zu verlangsamen und die noch vorhandenen Fähigkeiten so lange wie möglich zu erhalten. Die Betroffenen lernen, wie sie mit dem nachlassenden Gedächtnis umgehen und ihr Zuhause optimal an die Situation anpassen können. Auch ältere Menschen mit chronischen Erkrankungen können mit verschiedenen Therapiemaßnahmen gezielt gefördert werden.

Sowohl der Hausarzt als auch der Facharzt (zum Beispiel der Neurologe) kann eine Ergotherapie auf Rezept verordnen.

Sofern eine ärztliche Verordnung vorliegt, werden die Behandlungskosten von der Krankenkasse übernommen. Bei Erwachsenen ist pro Rezept eine Zuzahlung von 10 % fällig.

Die ärztliche Verordnung umfasst meist zehn Behandlungseinheiten. Ist eine Weiterbehandlung erforderlich, werden erneut zehn Einheiten verschrieben. Eine Therapiestunde beträgt, je nach Maßnahme, durchschnittlich zwischen 30 und 60 Minuten.

Die Behandlung kann während eines Klinikaufenthalts oder einer Rehabilitationsmaßnahme, in einem Altenheim oder ambulant in einer Ergotherapiepraxis erfolgen. Einige Praxen bieten auch Hausbesuche an.

Der Ergotherapeut kann Familienmitglieder beraten, wie sie den Betroffenen unterstützen können. Er kann ihnen auch den Umgang mit verschiedenen Hilfsmitteln erklären.

Fazit

Körperpflege, Haushalt, Freizeitgestaltung – viele Menschen haben durch Krankheit, Unfall oder Behinderung die Fähigkeiten verloren, mit alltäglichen Dingen zurechtzukommen. Bei der Ergotherapie steht die Wiederherstellung der Handlungsfähigkeit des Menschen im Mittelpunkt. Sie fördert seine motorischen, kognitiven und psychischen Fähigkeiten, um die Gesundheit zu verbessern und damit mehr Lebensqualität zu schaffen.

Quellen

Grundlagen der Ergotherapie, Thieme Verlag
https://dve.info/service/therapeutensuche
https://www.neurologen-und-psychiater-im-netz.org/psychiatrie-psychosomatik-psychotherapie/therapie/ergotherapie
https://www.apotheken-umschau.de/Ergotherapie
https://www.netdoktor.de/therapien/ergotherapie
https://dve.info

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